Frage an Thomas Silberhorn von Wolfgang J. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Silberhorn,
Sie setzen sich stark für die Erhaltung und sogar für die Erweiterung der Wehrpflicht in Deutschland ein.
Die Wehrpflicht gilt in diesem Staat nur für männliche Bundesbürger. Von etwa 450.000 Jungen Männern eines Jahrganges müssen etwa 30.000 Junge Männer ihren Grundwehrdienst ableisten. Etwa 80.000 Junge Männer leisten Ersatzdienst, einige Wenige verpflichten sich bei den freiwilligen Feuerwehren, Katastrophenschutz oder Technisches Hilfswerk. Der Rest der Jungen Männer und alle Frauen muss gar keinen Dienst für den Staat leisten, das sind etwa 70%.
Diejenigen, die Ihre Pflicht ableisten müssen, sind dadurch stark benachteiligt. Diejenigen, die ausgemustert (ca 46% der zur Musterung herangezogenen Männer werden ausgemustert) oder gar nicht zur Musterung herangezogen werden (das sind etwa 90.000 Männer pro Jahr) sind die Gewinner. Unser Sohn wurde eingezogen und verlor seinen Arbeitsplatz deswegen, weil er wie die meisten jungen Männer erst nur einen befristeten Arbeitsvertrag bekam. Eine Bitte von mir als Vater an das zuständige Kreiswehrersatzamt, den Wehrdiensttermin bitte zu verschieben, wurde mit der Begründung : "andere Wehrpflichtige werden auch arbeitslos" abgewiesen.
Ich verstehe das nicht, dass Deutschland als einziges Land in der EU und NATO noch 17 Jahre nach Ende des kalten Krieges diesen Zwangsdienst für Junge Männer noch festhält.
Außerdem ist die jetzige Wehreinziehung äußerst ungerecht, weil etwa 70% eines männlichen Jahrganges überhaupt keinen Dienst ableisten müssen. Ich habe an Sie eine persönliche Frage: Haben auch Sie den Wehr- oder Ersatzdienst für dieses Land abgeleistet?
Der Verteidigungsminister spricht einmal von 30.000, dann von 35.000, dann in nächsten Interview im ZDF von 52.000, in einem weiteren Interview von 128.000 und das BMVG von 72.000 oder 78.000 Wehrdienstleistenden pro Jahr. Welche Zahl ist davon richtig?
Für Ihre Antwort bedanke ich mich im Voraus.
Wolfgang Jäger
Sehr geehrter Herr Jäger,
an der Wehrpflicht möchte ich vor allem aus zwei Gründen festhalten: Zum einen ist sie von großer Bedeutung für die Nachwuchsgewinnung an Zeit- und Berufssoldaten. In einer Berufsarmee müssten sehr wahrscheinlich viel größere Anstrengungen unternommen werden, um qualifiziertes Personal zu finden. Zum anderen gewährleistet die Wehrpflicht die Verankerung der Bundeswehr in unserer Gesellschaft. Wenn der Einsatz einer Armee nicht einfach wie ein "Outsourcing" an externe Dienstleister vergeben werden kann, kann das die Umsicht aller Beteiligten nur fördern.
Die Wehrpflicht lässt sich nach meiner Überzeugung aber nur aufrecht erhalten, solange sie sicherheitspolitisch begründbar bleibt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass unsere sicherheitspolitischen Aufgaben nicht ab-, sondern zunehmen. Sie umfassen keineswegs nur militärische Einsätze, sondern das gesamte Spektrum von der Prävention bis zur Nachsorge. So können beispielsweise Projekte der Entwicklungszusammenarbeit eine spezifische sicherheitspolitische Dimension aufweisen.
Deshalb plädiere ich dafür, die allgemeine Wehrpflicht zu einer sicherheitspolitisch begründeten Dienstpflicht auszubauen. "Sicherheitspolitisch begründet" meint, dass es sich nicht um eine "allgemeine" Dienstpflicht handelt, die ich für verfassungs- und völkerrechtlich fragwürdig halte, sondern um eine Dienstpflicht zur Erfüllung sicherheitspolitischer Aufgaben. Das Grundgesetz ermöglicht schon heute eine Einziehung nicht nur zur Bundeswehr, sondern auch zum Zivilschutz und - im Einvernehmen mit den Ländern - zum Katastrophenschutz (vgl. Art. 12 a Abs. 1 GG). Zu diesen Diensten könnten Männer also - nach nur einfachgesetzlicher Änderung - ebenfalls verpflichtet werden. Freiwilligendienste könnten besser angerechnet werden. Dieses Konzept, das ich erstmals im Mai 2004 vorgelegt habe, hat der letzte CSU-Parteitag im Kern in das neue Grundsatzprogramm der CSU aufgenommen.
Mit dem Modell einer sicherheitspolitisch begründeten Dienstpflicht lässt sich m.E. nicht nur die verfassungsrechtliche Frage der Wehrgerechtigkeit lösen, sondern auch die "gefühlte" Wehrungerechtigkeit beseitigen, wie Sie sie beschreiben. Denn selbst im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen wird es als ungerecht empfunden, wenn stets nur ein - meist kleinerer - Teil eines Jahrgangs zu einem Dienst herangezogen wird.
Ich bin darüber hinaus der Auffassung, dass sich bei ansprechender Ausgestaltung unter den jungen Leuten Interesse an einer sicherheitspolitisch begründeten Dienstpflicht entwickeln wird. Das zeigt schon die große Resonanz auf das Programm "weltwärts", mit dem der Bundestag seit kurzem Freiwilligendienste in der Entwicklungshilfe fördert.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Silberhorn