Frage an Thomas Silberhorn von Michael B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Silberhorn,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Sie begründen die Verweigerung der automatischen Vergabe des gemeinsamen Sorgerechts(GS) an den Vater mit den Sonderfällen
a) Vergewaltigungen und
b) "oft psychisch und physisch stark beansprucht" Mutter "in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt eines Kindes".
c) ferner, dass die Fälle in denen der Vater seine Rolle nicht wahrnehmen möchte zahlreich wären.
Für keinen dieser Sonderfälle belegen Sie Ihre Aussagen durch Zahlen, obwohl wir für Vergewaltigungen nachgefragt hatten.
Eine Mutter hat 9 Monate Zeit sich Gedanken über das GS zu machen. Bei der heutigen Rechtsprechung und Gesetzeslage - die eindeutig gegen das klassische Familienbild bestehend aus Vater, Mutter und Kind gerichtet ist; siehe die hohe Zahl weiblicher Alleinerziehender - liegt eigentlich die Vermutung nahe, dass viele dieser Frauen mit der vorgefertigten Meinung, den Vater loszuwerden, Kinder in die Welt setzen.
Können Sie verstehen, dass wir einer Politik, die nur Vermutungen ausspricht, ohne diese mit Zahlen zu belegen, kein Vertrauen schenken können?
Herr Joachim Gauck wurde mit dem Satz zitiert (sinngemäß): "Wir sollen in unserer Gesellschaft nicht die Schwierigkeiten (Sonderfälle) sondern die Möglichkeiten voranstellen."
Das GS bei verheiratete Eltern hat sich hervorragend bewährt.
Wäre es nicht im Sinne des klassischen Bildes der Familie, allen Kindern die Möglichkeit (im Sinne von Herrn Gauck) zu geben, von Anfang an Eltern mit GS zu haben, wie in F oder RUS?
Da Sie das BVerfG bemühen: Es ist Fakt, dass es sich im Falle des §1626 a BGB geirrt hat!
Haben Sie nicht Angst, dass sich die Geschichte wiederholen wird? Sollen erneut abertausende Kinder die gerichtlichen Streitigkeiten, resultierend aus einer menschenrechts- und verfassungswidrigen Gesetzgebung, über sich ergehen lassen müssen?
Was genau haben Sie, oder Ihre Partei gegen nicht eheliche Väter, z. B. gegen Boris Becker oder Horst Seehofer?
MfG
MB
Sehr geehrter Herr Baleanu,
die anstehende Neuregelung des Sorgerechts für nichteheliche Kinder muss sehr unterschiedlichen Lebensverhältnissen gerecht werden. Sicherlich gibt es viele sehr stabile nichteheliche Partnerschaften, wobei hier oft schon eine Verständigung über das gemeinsame Sorgerecht möglich ist. Es gibt aber eben auch Eltern, bei denen von einer Partnerschaft keine Rede sein kann. Den Fall der Vergewaltigung habe ich als Extrembeispiel dafür genannt.
Ich habe damit keine "Vermutungen" angestellt, sondern lediglich die Spannbreite an unterschiedlichen Fallgestaltungen skizziert, die beim Sorgerecht vorkommen können. Dazu brauche ich auch keine konkreten Fallzahlen, weil es nicht darum geht, Einzelfälle zu pauschalieren. Es geht aber wohl darum, die Vielgestaltigkeit der Lebenswirklichkeit im Blick zu haben, wenn eine generelle gesetzliche Regelung zu treffen ist, die auf eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Sachverhalte gleichermaßen Anwendung finden wird.
Mittlerweile hat das Bundesjustizminsterium einen Referentenentwurf vorgelegt. Er sieht vor, was ich in meiner von Ihnen kommentierten Plenarrede vorgetragen hatte: Sofern die Eltern keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben, erhält die Mutter mit der Geburt des Kindes das alleinige Sorgerecht. Der Vater kann im Streitfall eine zügige gerichtliche Entscheidung über das eigene oder gemeinsame Sorgerecht herbeiführen. Würde man dagegen kraft Gesetzes beiden Eltern das gemeinsame Sorgerecht übertragen, würde bis zur Feststellung der Vaterschaft auch zunächst die Mutter das alleinige Sorgerecht ausüben. Ein mehrfach möglicher Wechsel des Sorgerechts liegt aber sicher nicht im Interesse der Kinder und wird durch den nun vorliegenden Kompromissvorschlag zuverlässig vermieden.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Silberhorn