Frage an Thomas Rachel von Lothar P. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Rachel,
leider habe ich von Ihnen auf meine bisherigen emails keine Antwort erhalten. Es würde mich jedoch als Wähler und niedergelassener Arzt interessieren ob Sie der Gesundheitsreform in der jetzigen Form zustimmen oder ob Sie mit mir der Meinung sind, dass diese Reform (?!) mehr Nachteile als Vorteile bringt. Nicht nur für die "Leistungserbringer" ( früher wurden wir noch als Ärzte bezeichnet),sondern in besonderem Masse auch für die Patienten, die statt der versprochenen Beitragsermässigungen immer höhere Beiträge zahlen müssen.
Sehr geehrter Herr Prang,
Ihre e-mail, mit welcher Sie Kritik an der Gesundheitsreform aussprechen, habe ich erhalten.
Zu den Auswirkungen der Gesundheitsreform haben mich viele Fragen und Anregungen erreicht. Viele Versicherte äußern Sorgen und Befürchtungen, für die eigentlich kein Anlass besteht. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mit meiner Antwort deutlich zu machen, welche Kernelemente die Gesundheitsreform hat.
Die Notwendigkeit dieser Reform ist unbestreitbar. Gesetzliche und private Krankenversicherer haben seit Jahren höhere Kosten zu verzeichnen. Grund dafür ist vor allem die steigende Lebenserwartung. Weil ältere Menschen im Schnitt höhere Krankheitskosten verursachen, steigen die Prämien.
Der andere kostentreibende Faktor ist die hohe Arbeitslosigkeit. Seit September 2000 ist unter Rot-Grün die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 1,7 Millionen Menschen zurückgegangen. Je weniger Menschen in einem solchen Beschäftigungsverhältnis stehen oder selbständig sind, um so geringer sind die Einnahmen aller Sozialkassen, also auch der Krankenkassen.
Es ist wichtig, festzuhalten, dass es sich um die erste Reform seit vielen Jahren handelt, die keine wesentlichen Leistungskürzungen und keine generellen Kostenerhöhungen für die Versicherten vorsieht.
Die Verhandlungen in der Großen Koalition waren lang andauernd und nicht einfach. Die Einführung einer Bürgerversicherung - wie von der SPD gefordert - wurde verhindert. Ebenso ist es gelungen, die bewährten Systeme der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der privaten Krankenversicherung (PKV) aufrechtzuerhalten. Zusätzlich wird innerhalb der PKV der Wettbewerb zu Gunsten der Versicherten deutlich erhöht.
In der gesetzlichen Krankenversicherung wird in allen Bereichen und auf allen Ebenen innerhalb klarer, verlässlicher Regeln der Wettbewerb intensiviert, um Qualität und Effizienz der medizinischen Versorgung weiter zu verbessern. Zugleich erhalten die Versicherten durch mehr Wettbewerb und mehr Transparenz künftig noch stärkere Wahlmöglichkeiten. Der bürokratische Aufwand soll vermindert werden.
Mit der Gesundheitsreform wird die gesundheitliche Versorgung auf hohem Niveau stabilisiert - und dies unabhängig von Alter und Einkommen. Dort, wo es notwendig ist, werden Leistungen sogar ausgebaut, wie die folgende beispielhafte Aufzählung zeigt:
Für die Behandlung bestimmter Krankheiten wie Krebs, Mukoviszidose oder Aids sind spezialisierte Krankenhäuser oft besser gerüstet als eine Artzpraxis. Deshalb wird den von bestimmten schweren oder seltenen Krankheiten betroffenen Patienten der Zugang zur ambulanten Behandlung am Krankenhaus künftig erleichtert. Im Rahmen der Integrierten Versorgung können Verträge mit Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung dieser Patienten auch ohne die Einbindung eines niedergelassenen Vertragsarztes mit entsprechendem Zulassungsstatus geschlossen werden. Darüber hinaus werden ausgewählte Kliniken mit ihrem ambulanten Versorgungsangebot prinzipiell auch GKV-Versicherten zur Verfügung stehen. Dies ist eine Verbesserung für die Patienten.
Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung haben künftig Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Mit dem Ausbau der ambulanten Palliativversorgung kommt die Gesundheitsreform dem Wunsch vieler schwerkranker Menschen entgegen, in der häuslichen Umgebung zu bleiben. Dies ist eine Verbesserung für die Patienten.
Damit ältere Menschen nach einem Unfall oder einer Krankheit unter bestimmten Umständen nicht in ein Pflegeheim müssen, wird die Rehabilitation für ältere Menschen verbessert. So können Sie weiter nach ihren eigenen Vorstellungen den Alltag gestallten. Die Versorgung kann wohnortnah oder durch mobile Reha-Teams durchgeführt werden. Dies ist eine Verbesserung für die Patienten.
Wichtige Impfungen müssen künftig von den Krankenkassen bezahlt werden. Alle von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Schutzimpfungen werden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Dies ist eine Verbesserung für die Patienten.
Die medizinische Versorgung und Rehabilitation für Mütter oder Väter wird verbessert. Notwendige Vater/Mutter-Kind-Kuren werden zu Pflichtleistungen der Krankenkassen. Dies ist eine Verbesserung für die Patienten.
Die betriebliche Gesundheitsförderung und die Prävention bei arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren werden gestärkt. Die Krankenkassen werden verpflichtet, Selbsthilfegruppen und Kontaktstellen zu fördern. Auch dies ist eine Verbesserung für die Patienten.
Die Wählerinnen und Wähler haben mit der Bundestagswahl 2005 einen klaren Auftrag erteilt: CDU/CSU und SPD müssen sich verständigen. Hätten die Wähler einen anderen Auftrag erteilt, so hätte die Gesundheitsreform in vielen Punkten anders ausgesehen. Grundsätzlich geht der Gesundheitsreformkompromiss jedoch in die richtige Richtung. Das Gesundheitssystem soll durch mehr Transparenz, mehr Wettbewerb, mehr Wahlfreiheit und weniger Bürokratie insgesamt leistungsfähiger gestaltet werden. Der umfangreiche Gesetzentwurf enthält viele Elemente, die dies bewirken sollen. Zu nennen sind die Ausweitung der Vertragsfreiheit, die Stärkung des Wettbewerbs zwischen den privaten sowie den gesetzlichen Krankenversicherungen, die Sicherstellung des Krankenversicherungsschutzes, die erleichterte Möglichkeit zur Fusion von Kassen, der Einstieg in die Entkopplung der Gesundheits- von den Arbeitskosten über den Gesundheitsfonds, die Schaffung von mehr Wahlmöglichkeiten für die Versicherten sowie die Straffung und Konzentration der Gremien innerhalb der GKV.
Auch wenn an der einen oder anderen Stelle noch Verbesserungen notwendig sind, stellt die Umsetzung dieser Elemente generell einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger dar. Im Zuge der Feinarbeit am Gesetzentwurf sind noch vorhandene Schwächen des Gesetzentwurfs so zu überarbeiten, dass die Gesundheitsreform ihre Potenziale entfalten kann und den Interessen der Bürgerinnen und Bürger dient.
Die Bundesregierung hat sich daher entschlossen, die Abstimmung über die Reform im Bundestag um zwei Wochen zu verschieben, um Anregungen aus den Anhörungen aufzunehmen und letzte Unklarheiten auszuräumen, so dass dem Parlament ein ausgewogenes Gesetzesvorhaben zur Abstimmung vorgelegt werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Rachel MdB