Frage an Thomas Oppermann von Korvin W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Oppermann
Ich würde mich sehr freuen zu hören was Sie bezüglich den Überlegungen einer staatlichen Unterstützung des Bundes für Opel denken. Insbesondere würde ich mich um Antworten auf folgende Fragen bitten:
1) Sehen Sie Opel als derart "systemrelevant" an, dass es eine Sonderbehandlung und Steuergelder verdient, was tausende von kleinen Unternehmen, die jährlich in der BRD insolvent werden, nicht erhalten?
2) Wie stehen Sie zur Meinung, dass sich wenn Opel als eigenständiges Unternehmen überlebensfähig wäre auch private Investoren für Opel gefunden werden könnten?
3) Wie stehen sie zu dem Problem, dass durch staatliche Hilfen der Wettbewerb zu Ungunsten von Konkurrenten (auch deutschen Konkurrenten, aber das sollte eigentlich irrelevant sein) verzerrt wird, mit allem was dazu gehört wie Entlassungen und Liquiditätsproblemen bei diesen Konkurrenten? Werden so die wirtschaftlichen Probleme Opels nicht teilweise einfach nur auf die anderen Autoproduzenten und deren Mitarbeiter abgewälzt?
4) Wird durch staatliche Kredite und Bürgschaften nicht das marktwirtschaftliche Prinzip des unternehmerischen Risikos teilweise abgeschafft? Wird hier nicht eine Mentalität aufgebaut, dass ein großes Unternehmen große Risiken eingehen kann, da es weiß im Extremfall vom Staat gerettet zu werden (Wenn auch unter großen Verlusten, aber doch ohne einen Totalverlust)? Ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass eine solche Mentalität auch für die Zukunft eine enorme Gefahr für die Weltwirtschaft darstellt? (Dieser Punkt gilt natürlich prinzipiell auch für den Bankenrettungsplan)
Ich würde mich über eine ausführliche Antwort freuen und danke Ihnen schon einmal im Voraus herzlich.
Mit freundlichen Grüßen
Korvin Walter
Sehr geehrter Herr Walter
Zu Frage 1., staatliche Unterstützungen von Unternehmen
Die in ihrer Frage enthaltene Unterstellung, dass in Deutschland tausende von kleinen Unternehmen, jährlich von Insolvenz bedroht werden, keine Hilfe erhalten, ist so nicht richtig. Viele kleine Unternehmen, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten, aber dennoch Substanz und Perspektive haben, erhalten öffentliche Bürgschaften. Mit diesen Bürgschaften werden bis zu 90 Prozent der Darlehen von Hausbanken abgesichert. Im Konjunkturprogramm I hat der Bund zu dem ein 15 Mrd. Euro Programm für kleine und mittlere Unternehmen aufgelegt. Diesen Unternehmen helfen wir auch mit verbesserten Regeln für die degressive Abschreibung. Natürlich muss ein Betrieb, in dem 50 Mitarbeiter beschäftigt werden, jede sinnvolle und mögliche Hilfe erhalten. Etwas anderes kann auch nicht gelten, wenn ein Unternehmen direkt 28.000 Mitarbeiter beschäftigt wie Opel. Dabei geht es nicht nur um die Arbeitsplätze bei Opel selbst, sondern auch um jene 35.000, die bei den Händlern und 70.000, die bei den Zulieferbetrieben, tätig sind, die mittelbar von Opel abhängen.
Zu Frage 2., private Investoren für Opel
Wenn Opel als eigenständiges europäisches Unternehmen aufgestellt werden kann, müssen private Investoren gefunden werden. Schließlich soll Opel kein Staatsunternehmen werden. Wenn diese privaten Investoren nicht sogleich zur Verfügung stehen, wäre es durchaus denkbar, dass der Staat vorübergehend Anteile als Platzhalter übernimmt.
Zu Frage 3., Gefahr der Wettbewerbsverzerrung
Dies ist ein wirkliches Problem. Jede Hilfe in dieser weltweiten Wirtschaftskrise muss genau daraufhin untersucht werden, ob sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Das ist nicht immer einfach. Auf der anderen Seite ist der Bestand großer Industriepotenziale in Deutschland derzeit nicht von einer normalen Konjunkturschwankung bedroht, die auch immer zu Kapazitätsanpassungen führt, sondern von einer weltweiten Finanz-und Wirtschatskrise, bei der die Gefahr besteht, dass sie Industriestrukturen in Deutschland irreparabel vernichtet. Ich habe die Sorge, dass die Industriearbeitsplätze, die jetzt strukturell in Deutschland verschwinden, nach dem Ende der Krise mit dem dann folgenden Aufschwung keineswegs automatisch zurückkehren.
Zu Frage 4., Vertrauen auf staatliche Hilfe
Ich teile ihre Sorge, dass die umfassenden staatlichen Kredite, Bürgschaften und Kapitalbeteiligungen dazu beitragen können, ein Vertrauen in die jederzeitige Bereitschaft zur staatlichen Hilfe in kritischen Situationen zu begründen. Ein solches Vertrauen wäre eine Gefahr für den in der sozialen Marktwirtschaft wichtigen Zusammenhang von Risiko und Haftung. Das unternehmerische Risiko ist Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg. Wenn im Falle des Scheiterns immer der Staat die Haftung übernehmen würde, dann würden alle bedenkenlos Risiken eingehen, ohne die Folgen zu bedenken. Das liefe am Ende auf die Ausschaltung des unternehmerischen Risikos hinaus. Dazu darf es nicht kommen. Deshalb sind in normalen Zeiten und normalen Wirtschaftskrisen solche Hilfen in der Regel auch nicht gerechtfertigt. Was wir im Augenblick jedoch erleben ist eine globale Krise des kapitalistischen Systems. Die Bewältigung dieser Krise allein dem gnadenlosen Mechanismus von Angebot und Nachfrage zu überlassen, wäre ganz gewiss kurzsichtig. Deshalb muss der Staat da wo es vernünftig ist, intervenieren und zumindest so lange den notwendigen Schutz gewähren, bis wir wieder annähernd normale Verhältnisse erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann