Frage an Thomas Oppermann von Ulrich W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Oppermann,
ihre Partei fordert einen Mindestlohn für diverse Branchen. Hintergrund: ein immer größer werdender Teil Arbeitnehmer kann aus dem erzielten Arbeitseinkommen nicht mehr leben.
Zwei Fragen seien hier gestattet:
Welcher Mindestlohn ist ihrer Meinung nach erforderlich um davon leben zu können? (in einer Sendung von AnneWill konnte ein Familienvater mit Netto ca 1700.- + Kindergeld gerade mal so leben.)
Der Staat setzt die Armutgrenze auf Euro 595.-- fest. Bei einem Netto von Euro 1.250.-- verbleiben (nach Abzug aller Kosten wie Miete + NK, Fahrtkosten etc.) Euro 665.--. Hiervon sollen nun noch monatlich Euro 105.-- aus BAFöG-Leistungen an das Bundesverwaltungsamt zurückgezahlt werden
(eine Reduzierung der Rate ist gesetzlich nicht vorgesehen)
Wie passt dieses zusammen?
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Wieland
Sehr geehrter Herr Wieland,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 27. Mai 2008 über Abgeordnetenwatch, in der Sie zum einen eine Frage zum Thema Mindestlohn und zum anderen eine zur Rückzahlung von BAföG-Leistungen gestellt haben.
Zum Thema Mindestlohn:
In Deutschland erhalten über 1,2 Millionen Menschen ergänzend zu ihrem Lohn Arbeitslosengeld II (sogenannte Aufstocker). Mehr als 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte arbeiten für Armutslöhne, die weniger als 50 Prozent des Durchschnittslohns betragen. Eine faire und angemessene Bezahlung ist jedoch ein Gebot der Menschenwürde und der wirtschaftlichen Vernunft.
Wir als SPD fordern eine Kommission, die unter Beteiligung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern die Höhe eines allgemeinen Auffang-Mindestlohn festsetzt. Wäre er bei 7, 50 Euro pro Stunde, dann wäre dies bei einer 38,5-Stunden-Woche ein Monatsbruttolohn von rund 1.250 Euro. Da ein allgemeiner Mindestlohn nicht durchsetzbar ist, haben wir in der Großen Koalition immerhin branchenbezogene Mindestlöhne vereinbaren können.
Mit einem Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde läge Deutschland im EU-weiten Vergleich im Mittelfeld. Luxemburg liegt derzeit mit 1.467 Euro an der Spitze, andere Länder wie Frankreich (1.154 Euro), Irland (1.213 Euro), die Niederlande (1.265 Euro) und Belgien (1.317 Euro) haben ähnliche Größenordnungen.
Lohndumping richtet sich gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dumpinglöhne schwächen aber auch die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben, die faire Löhne zahlen. Insofern stehen Mindestlöhne auch ordnungspolitisch im Einklang mit der sozialen Marktwirtschaft.
Zum Thema Rückzahlung von BAföG-Leistungen:
Anfang der 70er Jahre wurde, durch die damalige sozialliberale Regierungskoalition aus SPD und FDP, das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beschlossen. Es wurde eingeführt um Studierenden ein Hochschulstudium unabhängig von der sozialen und wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern zu ermöglichen.
Aktuell muss, wer während seines Studiums Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten hat 50% davon, die als zinsfreies Darlehen gewährt werden, in Raten oder als Einmalbetrag zurückzahlen. Die anderen 50% werden als Zuschuss gewährt und müssen nicht zurückerstattet werden. Zudem sind die Schulden für den Darlehensanteil für Studenten, die ihr Studium nach dem 01.03.2001 aufgenommen haben, auf 10.000 Euro beschränkt.
Die Rückzahlung beginnt 5 Jahre nach Ende der Förderungshöchstdauer in vierteljährlichen Raten von 315 Euro (105 Euro im Monat). Die Rückzahlungsverpflichtung kann auf Antrag für jeweils ein Jahr aufgeschoben werden, wenn das Nettoeinkommen den allgemeinen Freibetrag von 960 Euro nicht übersteigt. In Ihrem konkreten Fall beträgt das Nettoeinkommen 1.250 Euro monatlich und liegt somit über dem gesetzlich vorgeschriebenen Freibetrag. Sonderregelungen sind zum Beispiel für Studierende mit Kindern oder für Behinderte vorhanden.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann