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Thomas Oppermann
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Frage von Paul-Jonte S. •

Frage an Thomas Oppermann von Paul-Jonte S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Oppermann,
ist für Sie Deutschland ein Einwanderungsland?
Wie beurteilen Sie die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland?
Wie beurteilen Sie den Begriff „Flüchtlingskrise“ in der Bundesrepublik Deutschland?
Welche Chancen sehen Sie für Migranten in der Arbeitswelt?
Welche gesellschaftliche Herausforderungen sind mit der Integration von Flüchtlingen verbunden?
Wie stehen Sie zur Abschiebung von Flüchtlingen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

in der Flüchtlingspolitik brauchen wir ein Gesamtkonzept, das Realismus und Humanität verbindet und von einer breiten Mehrheit akzeptiert wird. Wie dieses Konzept aussehen soll, habe ich hier auf Abgeordnetenwatch schon mehrfach ausgeführt.

Es war überfällig, dass wir im Juni ein Einwanderungsgesetz verabschiedet haben, das Regeln für die Zuwanderung festschreibt. Zu lange war Deutschland ein Einwanderungsland wider Willen. Erst spät wurde auch von den Konservativen akzeptiert, dass wir dringend auf qualifizierte Einwanderung angewiesen sind.

Wir brauchen eine Integrationspolitik jenseits von Paternalismus und Bevormundung, aber auch jenseits von Romantisierung und Verklärung. Das, was nicht funktioniert, muss von uns offen angesprochen und wirksam gelöst werden. Auf den Wegen, die funktionieren, wollen wir weitergehen.

Von allen, die in unser Land kommen, müssen wir erwarten, dass sie die Regeln und Wertevorstellungen unseres Grundgesetzes teilen. Die oft beschworene hegemoniale deutsche Leitkultur ist ein viel zu diffuser Begriff. Kann man Menschen in einer freien Gesellschaft überhaupt eine bestimmte kulturelle Lebensweise vorschreiben? Meine Antwort lautet eindeutig: nein. Notwendig sind jedoch klare Spielregeln des Miteinanders. Offenheit dürfen wir nicht mit Beliebigkeit verwechseln. Es kann keinerlei Toleranz gegenüber Akten der Intoleranz geben. Menschen, die straffällig werden, täuschen und betrügen, sich terroristischen Vereinigungen anschließen, als Gefährdung für die öffentliche Sicherheit eingestuft werden oder unser Grundgesetz anderweitig mit Füßen treten, müssen die Konsequenzen des Rechtsstaates zu spüren bekommen. Das gilt für alle Menschen, unabhängig davon, wie lange sie schon in diesem Land leben und ob sie schutzsuchend sind oder nicht.

Um den bereits hier lebenden Menschen ihre Ängste zu nehmen, müssen wir deutlich machen: Gelungene Integrationspolitik ist Politik für alle. Natürlich brauchen wir für die Integration der Flüchtlinge ein kräftiges Wohnungsbauprogramm. Aber davon müssen auch alle profitieren, die in Ballungsgebieten und Universitätsstädten händeringend nach bezahlbaren Wohnungen suchen. Wenn wir Schulen sanieren, Schwimmbäder und Bibliotheken erhalten, dafür sorgen, dass Busse und Bahnen häufiger fahren, stärken wir den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. In lebenswerten Nachbarschaften kann auch das Zusammenleben in Vielfalt besser funktionieren.

Wir dürfen uns hier keine falschen Illusionen machen: Integration ist eine Daueraufgabe und erfordert eine Politik des langen Atems. Auch wenn nun weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen, muss der Bund die Kommunen weiterhin angemessen unterstützen.

Zum Thema Abschiebungen: Deutschland gibt denjenigen Schutz, die Schutz brauchen. Wer nicht als Asylsuchender anerkannt wird und kein Bleiberecht hat, muss unser Land verlassen. Auch das gehört zu einer humanitären Flüchtlingspolitik. Nur so kann – und nur so wird – die Aufnahme Schutzsuchender in der breiten Bevölkerung dauerhaft akzeptiert werden.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann