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Thomas Oppermann
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Frage von Christian M. •

Frage an Thomas Oppermann von Christian M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Oppermann,

Sie haben bei mehreren Anlässen erklärt, dass nach dem Völkerrecht die Türkei für Murat Kurnaz zuständig sei, da er die Türkischer Staatsbürgerschaft besitzt.

Diese Aussage jedoch steht im Wiederspruch zu der Entscheidung, die der Internationale Gerichtshof am 6. 4. 1955 im Fall "Nottebohm" getroffen hat.

Könnten Sie dies erklären?

Hochachtungsvoll
Christian Mann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Mann,

im Fall "Nottebohm" hat der Internationale Gerichtshof (IGH) 1955 entschieden, dass das Völkerrecht nicht festlegt, unter welchen Umständen eine Person Staatsangehöriger eines Staates ist. Dies ist Sache des innerstaatlichen Rechtssetzers, der das Staatsbürgerschaftsrecht frei ausgestalten darf und die Regeln für den Erwerb seiner Staatsbürgerschaft festzulegen hat.

Diese Entscheidung weist jedoch keine Bezüge zu Murat Kurnaz auf, da er lediglich die türkische Staatsangehörigkeit besaß und besitzt. Die Entscheidung des IGH aus dem Jahre 1955 ändert nichts an der Rechtslage, wonach völkerrechtlich gegenüber den USA allein die Türkei für sein Schicksal verantwortlich war.

Zum einen betraf die Entscheidung des IGH einen Doppelstaatler. Der IGH musste in einem Fall der doppelten Staatsangehörigkeit in der Frage des konsularischen Schutzes eine Vorrangregel finden. Er stellte darauf ab, welche Staatsbürgerschaft die "effektive" sei. Hierbei sei das engste Näheverhältnis zwischen Person und Staat entscheidend (Aufenthalt, familiäre Bindungen usw.). Da Kurnaz jedoch keine doppelte Staatsbürgerschaft innehatte, ist diese Regel hier völkerrechtlich gegenstandslos.

Zum anderen betont die Entscheidung des IGH, dass die Staatsangehörigkeit eine innerstaatliche Entscheidung ist. Im Falle Kurnaz richtete sie sich nach den Regeln des Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsrechts. Kurnaz hätte 2001 die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen können, hat dies jedoch nicht getan.

Somit durften sich die USA völkerrechtlich völlig korrekt auf Art. 36 des Wiener Übereinkommens berufen, wonach der Bundesrepublik kein Recht auf konsularischen Schutz von Murat Kurnaz zusteht, da er nicht Staatsbürger der Bundesrepublik ist.

Dessen unbenommen hat sich die Bundesrepublik Deutschland aus humanitären Gründen fortwährend von 2002 bis 2006 immer um das Schicksal von Murat Kurnaz auf allen Ebenen bemüht.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Oppermann