Frage an Thomas Oppermann von Peter W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Oppermann,
der Bundesrat äußert in seiner Stellungnahme vom 06.09.2019 zum Entwurf des Masernschutzgesetzes verfassungsrechtliche Bedenken, siehe Drucksache 358/1/19 (https://tinyurl.com/y4rgfbee). Wie schätzen Sie als Jurist die Situation ein? Wäre es nicht ein herber Rückschlag für das Vertrauen in Impfungen allgemein, wenn erst das Bundesverfassungsgericht ein verabschiedetes Gesetz kippen würde?
Der Verein "Ärzte für individuelle Impfentscheidung" hat erst gestern eine Stellungnahme zum Kabinettsentwurf dem Gesundheitsausschuss übermittelt: https://tinyurl.com/y2k4zgqf
Ich möchte Sie bitten, sich auch mit diesen wissenschaftlich fundierten Punkten zu beschäftigen, weil ich glaube, dass dies die Pflicht eines jeden Abgeordneten/Volksvertreters ist, gerade wenn es um so weitreichende Grundrechtseinschränkungen geht. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass in Ihrer Bundestagsfraktion auch kritische Fragen, beispielsweise im Rahmen von großen und kleinen Anfragen, gestellt werden?
Die validierbaren Kernaussagen aus dem o.g. Dokument sind:
- "Komplikationen sind bei Masern die seltene Ausnahme"
- "Die Masernfallzahlen nehmen in Deutschland nicht zu, schon gar nicht bei Kindern"
- "Die Durchimpfungsraten steigen oder sind stabil hoch"
- "Es gibt keine Impfmüdigkeit in Deutschland – die Impfbereitschaft steigt kontinuierlich"
- "Die Verträglichkeit der Masernimpfstoffe ist nicht ausreichend gut untersucht"
- "Die Masernelimination scheitert bisher an schlechter Überwachung, nicht an schlechten Impfquoten"
- "Masernelimination gelingt in Europa mit niedrigeren Durchimpfungsraten als denen in Deutschland"
- (sechs weitere Kernaussagen, die ich hier aufgrund der Anzahl erlaubter Zeichen nicht auflisten kann; ich bitte Sie, selbst weiter zu recherchieren)
Diese Aussagen stehen den Begründungen des Gesetzentwurfs diametral entgegen. Können Sie einem solchen Gesetz mit gutem Gewissen zustimmen? Ich könnte das nicht. Vielen Dank!
MfG, Peter Wunder
Sehr geehrter Herr W.,
ich möchte gerne aus juristischer Sicht auf Ihre Frage zum Masernschutzgesetz antworten.
Der Grundgedanke des Gesetzentwurfs ist, dass die individuelle Entscheidungsfreiheit dort ihre Grenze finden muss, wo die Gesundheit und sogar das Leben anderer gefährdet ist und andere geeignetere Mittel nicht zur Verfügung stehen.
Von einer Masernerkrankung sind besonders häufig Kinder in den ersten beiden Lebensjahren betroffen. Sie tragen auch ein erhöhtes Risiko dafür, dass eine Maserninfektion zu schwerwiegenden Komplikationen führt und müssen besonders häufig wegen einer Masern-Erkrankung stationär behandelt werden. Durch eine vorübergehende Immunschwäche kommt es nach einer Masernerkrankung zu anderen Erkrankungen wie z.B. Durchfall, Mittelohrentzündung, Hörschäden, Lungenentzündung und Gehirnentzündung. Bei 10 von 10.000 Masern-Erkrankten entwickelt sich in Folge der Erkrankung eine Gehirnentzündung, etwa 2 bis 3 Betroffene behalten schwere Schäden wie geistige Behinderungen und Lähmungen zu-rück. Als Spätfolge kann die so genannte subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auftreten, eine schwere und stets tödlich verlaufende Gehirnerkrankung. Eine SSPE entwickelt sich bei 2 bis 6 von 10.000 Kindern, die zum Zeitpunkt der Maserninfektion jünger als 5 Jahre alt sind. Die Wahrscheinlichkeit, an Masern zu sterben, liegt bei 1 Todesfall pro 1.000 Masernerkrankte.
Gegen die Masern-Erkrankung selbst gibt es keine Behandlung. Masern sind extrem ansteckend. Ohne Impfschutz infizieren sich etwa 95 von 100 Menschen, wenn sie Kontakt zu einem Erkrankten hatten.
Sowohl für den individuellen Schutz jeder und jedes Einzelnen als auch für den Gemeinschaftsschutz zugunsten von Menschen, die nicht geimpft werden können, brauchen wir eine ausreichende Masern-Impfquote. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir hier etwas unternehmen müssen.
Über den Gesetzentwurf wird es im Oktober eine Expertenanhörung des Deutschen Bundestags geben. Dort wird aus gesundheitspolitischer Sicht selbstverständlich auch über die von Ihnen zitierten Kritikpunkte gesprochen.
Ich stimme Ihnen zu, dass wir zum Thema Masern-Erkrankung und Impfpflicht noch mehr Informationen und Aufklärung für die Bürgerinnen und Bürger brauchen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann