Portrait von Thomas Oppermann
Thomas Oppermann
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Thomas Oppermann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Mark S. •

Frage an Thomas Oppermann von Mark S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Oppermann,

ich wende mich gerade das erste Mal direkt an einen Spitzenpolitiker. Zum ersten Mal bin ich so enttäuscht und verwirrt, dass es mir geboten erscheint.

Ich habe die SPD letzten Herbst gewählt, und zwar mit Erst- und Zweitstimme, damit eine soziale, liberale und nachhaltige Politik Zukunft haben kann.
Darüber, dass die SPD dann, trotz "Erneuerungswille" in eine große Koalition eintrat, konnte man hinwegkommen.
Aber darüber, dass die SPD jetzt zusieht, wie ein Innenminister ihre Beiträge zu Koalitionsvereinbarungen offen ignoriert, sich über Abschiebungen freut, wie über Geburtstagsgeschenke, während die Betroffenen sich das Leben nehmen, und Regierungen lahmlegt, nur um seine Partei vermeintlich bei den Landtagswahlen zu stärken, kann ein Wähler irgendwann nicht mehr einfach hinwegsehen.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie und ihre Mitabgeordneten weiterhin für andere Themen als die Flüchtlingsproblematik sehr viel Positives tun. Aber die SPD ist an dieser Regierung beteiligt, und damit für alle Probleme in Deutschland mitverantwortlich, auch für das Thema Flüchtlinge. Und gerade in dieser Thematik fehlt es Ihrer Partei augenscheinlich an jeglichem Interesse soziale Politik zu betreiben. Auch wenn Sie persönlich Herrn Seehofer offen kritisieren, so fehlt es an einer klaren Distanzierung der Partei als Ganzes von seinen Verfehlungen.

Ich, und viele Freunde, haben die SPD gewählt, um ein Zeichen für soziale Werte, für Nächstenliebe zu setzen. Wieso ist der SPD diese Motivation ihrer Wähler offensichtlich egal?
Wieso kämpfen "unsere" Abgeordneten nicht für unsere Werte?
Wieso lässt die SPD so viel stehen, für dass sie sich als Regierungsmitglied verantwortlich zeichnet? Eine Koalition verpflichtet nicht zur unbedingten Loyalität. Was muss noch geschehen, bevor der CSU die Unterstützung durch eine soziale Partei entzogen wird, die sich bislang "an die Wand regieren" lässt?

Trotz allem freundliche Grüße,
M. S..

Portrait von Thomas Oppermann
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihr Vertrauen bei der Bundestagswahl.

In den Koalitionsverhandlungen haben wir ein gutes Ergebnis erzielt. Die vereinbarten Maßnahmen sichern unseren Wohlstand auch in Zukunft und verbessern das Leben für viele Menschen.

Besonders wichtig sind mir zwei Punkte, für die ich mich lange eingesetzt habe:
Wir bekommen endlich ein modernes, transparentes Einwanderungsgesetz, das die Zuwanderung von Fachkräften besser steuert. Außerdem werden wir die Bundestagsdebatten lebendiger gestalten: Zukünftig wird es eine regelmäßige Befragung der Kanzlerin im Plenum und Orientierungsdebatten zu den großen innen- und außenpolitischen Themen geben.

Weitere zentrale Punkte sind:
- Wir stellen 5 Mrd. € für die Digitalisierung der Schulen bereit.
- Mit 2 Mrd. € werden Ganztagsschulangebote ausgebaut.
- Wir verbessern das BAföG.
- Für flächendeckende Glasfaser-Netze stellen wir 10-12 Mrd. € bereit.
- Auch die Mittel für das Schienennetz und den Nahverkehr werden deutlich erhöht.
- Endlose Kettenbefristungen werden abgeschafft, sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen sollen nur noch die Ausnahme sein.
- Alle, die ein Leben lang gearbeitet haben, werden durch eine solidarische Grundrente abgesichert.
- Mit einem Sofortprogramm Pflege schaffen wir 8.000 neue Stellen mit besserer Bezahlung.
- Ab 1.1.2019 wird die Gesetzliche Krankenversicherung wieder paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. Eine Kommission soll eine gemeinsame Honorarordnung für gesetzliche und private Krankenkassen vorbereiten, um die „Zwei-Klassen-Medizin“ zu beenden.
- Wir schaffen den Solidaritätszuschlag schrittweise ab und setzen uns für eine Schließung von Steuerschlupflöchern und Steueroasen.
- Wir stärken die Rechte von Mietern, investieren 2 Mrd. € in den sozialen Wohnungsbau und unterstützen Familien mit einem Baukindergeld von 1.200 € je Kind pro Jahr.
- Und nicht zuletzt: Wir stärken die Zukunft der Europäischen Union.

Zu Ihrem zweiten Thema: Wie ich auf Abgeordnetenwatch bereits mehrfach ausgeführt habe, brauchen wir dringend ein Gesamtkonzept für eine humanitäre, realistische Flüchtlingspolitik.

Folgendes ist jetzt zu tun:
1. Fluchtursachen in den Heimatländern der Flüchtlinge bekämpfen (Marshallplan für Afrika).
2. Die Außengrenzen der EU effektiv sichern.
3. Kontingente für eine geordnete Aufnahme von schutzbedürftigen Flüchtlingen einführen.
4. Flüchtlinge mit Bleiberecht schneller integrieren und Abgelehnte konsequenter zurückführen.
5. Staatlich kontrollierte Einwanderung durch ein modernes Einwanderungsgesetz ermöglichen.
6. Die Einwanderungsgesellschaft auf Basis von Werten (Männer und Frauen sind gleichberechtigt) leben.

Zu Horst Seehofer: Ein Innenminister wird an seinen Taten, nicht an seinen Masterplänen gemessen. Wir brauchen jetzt dringend Rückführungsabkommen mit nordafrikanischen Staaten und EU-Partnern, schnellere Asylverfahren, konsequente Abschiebung von Gefährdern ohne deutschen Pass – sowie das oben erwähnte Einwanderungsgesetz.

Die parlamentarische Demokratie erfordert einen respektvollen Umgang miteinander, auch bei scharfen Konflikten sowie ein Minimum an intellektueller Redlichkeit und die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen. Seehofer aber hat sich wie ein AfD-Politiker benommen. Abschiebungen sind eine ernsthafte Angelegenheit. Damit macht man keine Späße.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Oppermann