Frage an Thomas Oppermann von Thomas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Opperrmann,
bezogen auf Sondierungsgespräche Union-SPD meldet die Augsburger Allgemeine:
"Nach langem Hin und Her der Emissäre mussten Martin Schulz und Andrea Nahles schließlich doch zur Union kommen – ins Büro von Fraktionschef Volker Kauder im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags. Bis zuletzt blieben Ort und Zeit geheim, SPD-Chef Martin Schulz kam durch den Hintereingang, getwittert wurde nichts, hinterher gab es nur eine dürre schriftliche Erklärung..(...) In der kryptischen Erklärung heißt es lediglich, die Vertreter von CDU und CSU hätten "deutlich gemacht, dass sie gemeinsam mit der SPD Sondierungen zur Bildung einer stabilen Regierung aufnehmen wollen""
http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Das-Problem-der-SPD-mit-Martin-Schulz-id43555886.html
1. Was halten Sie von einer "stabilen Regierung" und was verstehen Sie darunter?
2. Die SPD hat m.E. versucht im Wahlkampf sich als deutlich unterscheidbare Alternative zur Union zu profilieren. Würden Sie diesen Eindruck unterstützen?
3.. Würde eine erneute große Koalition nicht einen Identitätsverlust sozialdemokratischer Politik bedeuten?
4. Landwirtschaftsminister Schmidt hat im Alleingang der Verwendung der umstrittenen Chemikalie Glyphosat auf Euro-Ebene zugestimmt, führt der CSU-Minister damit nicht die SPD vor?
5. Ohne amtierende neu gewählte Bundesregierung haben 504 von 709 Bundestagsabgeordneten dem von CDU/CSU, SPD und FDP eingereichten Antrag zur automatischen Anpassung der Abgeordnetendiäten zugestimmt.
https://www.abgeordnetenwatch.de/bundestag/abstimmungen/diaetenanpassung-der-abgeordneten-2017
Erweckt dieses parlamentarische Verhalten nicht den Eindruck, dass wenn es um den eigenen Vorteil geht, der Bundestag zu stabilen Mehrheiten kommen kann?
Sollten also solch stabile Mehrheiten in politisch wichtigen Entscheidungen nicht auch ohne große Koalition möglich sein?
Viele Grüße, T. S.
Sehr geehrter Herr S.,
in den anstehenden Gesprächen müssen die Inhalte im Vordergrund stehen. In welcher Form eine Regierung gebildet wird, richtet sich dann nach den Inhalten.
In den vergangenen vier Jahren haben wir in der Koalition mit CDU/CSU wesentliche Projekte durchgesetzt. Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, mit der Rente ab 63, mit einer besseren Ausstattung von Kommunen und Schulen haben wir den Alltag vieler Menschen verbessert. Ich stimme Ihnen zu, dass sich gerade bei Gerechtigkeitsfragen wie dem Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit oder der Solidarrente deutliche Unterschiede zwischen SPD und Union zeigten.
Zu den beiden von Ihnen angesprochenen Themen:
Der CSU-Minister Schmidt hat sich mit dem Ja zum Glyphosat nicht nur über den Widerstand der SPD und unserer Umweltministerin Barbara Hendricks hinweggesetzt, sondern auch gegen Art. 65 GG verstoßen, der für solche Fälle Enthaltung vorschreibt. Dies hat die SPD deutlich kritisiert.
Ich habe über dieses Thema auch in einer Sendung von Markus Lanz gesprochen: Angela Merkels Autorität ist offensichtlich schon soweit erodiert, dass sie nicht mehr in der Lage ist, das notwendige Machtwort zu sprechen. Ich habe dies in der Sendung mit den sprichwörtlichen Mäusen, die auf den Tischen tanzen, verglichen.
Das Umweltministerium und die SPD-Fraktion prüfen, wie wir auf nationaler Ebene weitere Beschränkungen oder ein Verbot für Glyphosat durchsetzen können.
Um dem Vorwurf entgegenzuwirken, der Bundestag sei ein „Selbstbedienungsladen“ und die Abgeordneten würden nach Gutsherrenart über die eigenen Bezüge entscheiden, beschloss das Parlament im Jahr 2014 einen Systemwechsel. Der Deutsche Bundestag folgte dabei den Vorschlägen einer unabhängigen Expertenkommission. Diese hatte empfohlen, als Maßstab für die Abgeordnetenentschädigungen die Besoldung von Richtern der obersten Gerichte heranzuziehen und die Diäten jährlich automatisch auf Grundlage der Nominallohnentwicklung anzupassen.
Ich halte diese Regelung für sinnvoll. Damit erhalten diejenigen, die die Gesetze verabschieden, genau so viel wie diejenigen, die die Gesetze auslegen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann