Frage an Thomas Oppermann von Gabriel Z. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Oppermann,
wie Sie wissen, soll der Artikel 90 GG geändert werden, sinngemäß folgendermaßen: "Überführung der Verwaltung der Bundesautobahn in die Bundesverwaltung. Dazu soll sich der Bund auch einer Gesellschaft des privaten Rechts bedienen können" [aus der Erläuterung zu TOP 34a der 953. BR, 10.02.17]
Der erste Satz scheint mir sinnvoll. Mich würde aber sehr interessieren, welche Probleme mit dem zweiten Satz ("Privatisierung") gelöst werden sollen und können.
Falls es um eine Effizienzsteigerung geht: auf welche wissenschaftlichen Studien oder zumindest Berichte stützt sich die mit der Gesetzesänderung verbundene Hoffnung? (siehe die Berichte des Bundesrechnungshofes, das Beispiel der Privatisierung des Schienennetzes in UK, und die Studien der Weltbank: https://ppp.worldbank.org/public-private-partnership/overview/ppp-objectives , die dieser Hoffnung widersprechen )
Ein privater Investor wird, in welcher Form auch immer eine Beteiligung rechtlich geregelt wird, einen Return of Investment sehen wollen. Wie soll sichergestellt werden, dass nicht kurzfristige finanzielle Interessen die langfristigen Interessen der Nutzer der Autobahnen (d.h., der Bürger) dominieren? (s. a. die Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. Hermes "Damit ist der Nießbrauch der entscheidende Hebel, um [...] eine Gesellschaft zu etablieren, deren Geschäftsmodell das entgeltliche Anbieten, Planen, Errichten und Zur- verfügungstellen von Autobahn ist. [...] Aber in der Sache installiert man ein Geschäftsmodell, das man nicht anders denn als materielle Privatisierung bezeichnen kann." [101. Sitzung Haushaltsausschuss, 27. März 2017])
Wie wird sichergestellt, dass private Investoren sich in gleicher Weise an den Risiken und ggf. Kosten beteiligen, auch langfristig? Wie wird der Staat in fairer Weise an etwaigen Gewinnen beteiligt? (wenn es denn schon einen RoI geben soll)
Herzliche Grüße,
Ihr G. Zachmann.
Sehr geehrter Herr Zachmann,
wenn der Staat eine Aufgabe übernimmt, hat er mehrere Möglichkeiten, wie er die Erledigung der Aufgabe organisiert. Das Wichtigste ist, dass die rein hoheitlichen Aufgaben durch Beamtinnen und Beamte oder Beschäftigte des öffentlichen Dienstes wahrgenommen werden. Hier geht es um die Kernaufgaben des Staates.
Im Zuge der Übernahme der Kompetenzen für die Planung, den Bau, den Betrieb und den Erhalt von Bundesautobahnen und einzelnen Bundesstraßen durch den Bund wird für diesen Bereich ein Bundesfernstraßenamt gegründet. Für die restlichen öffentlichen Aufgaben gibt es sehr unterschiedliche Organisationsmodelle.
Dafür kann er eine klassische Behörde, eine Anstalt öffentlichen Rechts oder eine Organisation privaten Rechts gründen. Letzteres ist so lange keine Privatisierung, so lange keine privaten Investoren (Banken, Versicherungen, Fonds) direkten Einfluss auf die Entscheidungen des Staates erhalten und so lange es kein Gewinnstreben gibt. So ist z.B. die Entwicklungszusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland in der GIZ organisiert, die die Rechtsform einer GmbH hat. Niemand würde auf die Idee kommen, den Vorwurf zu erheben, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit auf Gewinnstreben ausgerichtet ist.
Bei der neuen Bundesfernstraßengesellschaft ist das ebenfalls sichergestellt: es gibt keinen Einfluss privater Investoren auf das Handeln der Gesellschaft und die Gesellschaft ist nicht verpflichtet, eine Rendite zu erarbeiten. Es gibt kein Geschäftsmodell, das die Gesellschaft verfolgt. Es wird u.a. kein Nießbrauchrecht geben, das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesfernstraßen geht also nicht auf die Gesellschaft über. Außerdem wird die Gesellschaft keine Mautgläubigerin, die Einnahmen gehen weiterhin an den Bundeshaushalt.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann