Frage an Thomas Oppermann von Ursula B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Oppermann,
Deutschland hat in den nächsten Jahren die immense Aufgabe zu bewältigen, mind. 1 Million, vermutlich weit mehr, Flüchtlinge zu integrieren.
Die vorrangigste Aufgabe ist dabei, sie zu befähigen, Arbeit zu finden.
Dies wird nicht einfach sein, weil wir nur eine begrenzte Zahl an Arbeitsplätzen haben, die für Menschen, die im Sprachlernprozess stehen, in Frage kommen. Vor diesem Hintergrund habe ich kein Verständnis dafür, dass jetzt auch noch Menschen aus dem Kosovo eine Arbeitserlaubnis bekommen sollen. Dies erschwert die Situation für die Flüchtlinge erheblich und bewirkt, dass diese weit länger als nötig von Sozialleistungen leben müssen. Dies wiederum stärkt unnötigerweise rechte Tendenzen im Land. Wie sehen Sie das?
Sehr geehrte Frau Bruder,
wir sind uns einig, dass Sprache und Bildung für eine gelingende Integration entscheidend sind. Deshalb müssen wir jetzt unsere volle Konzentration richten auf Kita, Schule, Spracherwerb, Ausbildung, Beschäftigung. Bei den Flüchtlingen, die ohne Ausbildung zu uns kommen, ist es genauso wie bei denen, die bei uns leben und keine Ausbildung haben. Ich bin davon überzeugt, dass sich jeder Euro, den wir heute in Ausbildung und Qualifizierung stecken, in Zukunft um ein Vielfaches auszahlen wird. Die Frage, wie lebenswert Deutschland in zehn oder in 20 Jahren sein wird, hängt davon ab, wie wir heute mit den Flüchtlingen umgehen, wie wir sie aufnehmen und wie wir sie integrieren.
Sie wenden sich vor allem gegen die Entscheidung des Koalitionsausschusses, Arbeitsvisa für Menschen vom Westbalkan auszustellen.
Ich habe in meiner Rede bei der Generaldebatte des Deutschen Bundestages am 9. September hierzu ausführlich Stellung genommen: „Zur Wahrheit dieses Sommers gehört aber auch, dass nicht nur Kriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte zu uns kommen, sondern auch viele Menschen, insbesondere aus dem Balkan, die Arbeit und ein besseres Leben suchen. Dafür habe ich ganz viel Verständnis. Aber diese Leute haben keine Chance, bei uns Asyl zu bekommen. Deshalb, finde ich, ist es auch ein Gebot der Fairness, ihnen das ganz klar zu sagen, damit sie nicht weiterhin immer wieder ihre gesamten Ersparnisse den Schleusern anvertrauen. Deswegen ist es auch richtig, dass wir über die Anträge aus diesen Ländern in einem vereinfachten Verfahren entscheiden.
Bei der Frage der sicheren Herkunftsländer geht es nicht darum, die Flüchtlinge in gute und schlechte Flüchtlinge einzuteilen, sondern es geht um unterschiedliche Grade der Schutzbedürftigkeit. Weil wir nicht alle aufnehmen können, müssen wir uns auf die besonders Schutzbedürftigen konzentrieren.
Die richtige Antwort ist deshalb ein Einwanderungsgesetz, mit dem wir die Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitnehmern steuern können. Ich bin froh, dass wir uns immerhin darauf verständigt haben, in begrenzter Zahl Arbeitsvisa für qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Westbalkan zu vergeben, die in Deutschland einen tarifgebundenen Arbeits- oder Ausbildungsplatz haben. Auch wenn es in der Koalition noch keine Einigung über ein Einwanderungsgesetz gibt - das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.“ Die komplette Rede finden Sie hier:
http://www.thomasoppermann.de/details.php?ID=1613
Die Arbeitsvisa sind ein sinnvoller Beitrag, um das Asylsystem zu entlasten. Ein Einwanderungsgesetz ist notwendig, damit wir Zuwanderung besser steuern und vor allem den Fachkräftemangel vermeiden, der unserer alternden Gesellschaft angesichts des demographischen Wandels droht. Im Anhang sende ich Ihnen das Positionspapier, das die SPD-Bundestagsfraktion im März zu diesem Thema beschlossen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann