Frage an Thomas Oppermann von Horst S. bezüglich Wirtschaft
Werter Herr Oppermann,
Ihre Antwort auf die vorangegangen Frage lässt vermuten, dass Sie selbst über die Bedingungen der bislang geheim geführten Vertragswerke TTIP und CETA nur unzureichend informiert scheinen. Oder, was perfide wäre, Sie bedienen ein Klientel, das aus den Verträgen nur profitiert.
Es ist schlichtweg falsch, dass wir beim derzeitigen Stand der Verhandlungen als Exportnation nur profitieren. Das kann nur gelingen, wenn in bestimmten Bereichen immer die höherwertigeren Standards im Abkommen durchgesetzt werden könnten. Das aber lassen die USA nicht zu. Beispiele bieten u.a. die Abkommen mit Mexico und Kanada. Die vorgegebenen Zahlen zu Arbeitsplätzen, Wirtschaftswachstum und Einküfte werden von den Befürwortern geschönt mit dem Wissen, dass die in Aussicht gestellten Vorgaben so nie zu erreichen sein werden.
Ein ganz wesentlicher Punkt ist der Investorenschutz in der von den USA praktizierten Form. Ich brauche Ihnen nicht die Schiedsgerichtsverfahren aufzeigen, bei denen es um Unsummen geht, die den beteiligten Staaten auferlegt wurden. Und das, weil die Gewinnerwartungen der "Investoren"durch entsprechende Gesetze nicht realisiert werden konnten. Damit ist dort kaum noch souveränes Handeln der gewählten Mandatsträger möglich. Schlicht gesagt: Die gewählten Volksvertreter von der Kommune, über Länderparlamente bis hin zum Bundestag würden damit in ihren Entscheidungen maßgeblich beeinträchtigt werden.
Frage: Wollen Sie das??
PS: Stichwort Entscheidungsfreiheit: Herr Oppermann, gibt es das überhaupt noch im Bundestag. Sie wie auch andere Fraktionsführer schwören doch wie Zuchtmeister Ihre Fraktionskollegen auf bestimmte Probleme ein. Gilt da eigentlich noch das freie Mandat? Kann ein Abgeordneter noch ungestraft eine von der Linie abweichende Meinung haben und auch öffentlich machen ( In Deutschland ist das Imperative Mandat nach Art. 38(1) GG unzulässig.)?
In Erwartung Ihrer Antwort verbleibt mit freundlichem Gruß
Horst Sellge
Horst Sellge
Guten Tag Herr Sellge,
meine kritische Haltung zu den Schiedsgerichten habe ich hier bereits deutlich gemacht. Ein Freihandelsabkommen darf nicht dazu führen, dass Standards in Frage gestellt werden oder Investoren demokratische Regelungen vor internationalen Schiedsstellen aushebeln können. Diese Position haben wir auch im SPD-Konvents-Beschluss deutlich gemacht: http://www.spd.de/linkableblob/123760/data/20140920_parteikonvent_beschluss_ttip.pdf
Nur unter diesen Bedingungen kann TTIP ein Erfolg werden. Diesen Erfolg wünsche ich mir: Denn Deutschland profitiert als Exportnation wie kein anderes Land vom Abbau von Zöllen und vom freien Zugang zu den Märkten.
Ziel eines erfolgreich verhandelten TTIP-Abkommens ist ein transatlantischer Marktplatz, der den Handel zwischen Europa und den USA deutlich vereinfacht. Ein höheres Handelsvolumen hat positive Auswirkungen auf Umsätze und Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks. Denn die USA sind der größte Absatzmarkt der EU, umgekehrt sind die EU-Länder der wichtigste Handelspartner der USA. Für Deutschland sind die USA der wichtigste Exportmarkt außerhalb Europas.
Ein Aspekt ist die Verringerung von Zollbarrieren. Studien haben ermittelt, dass die deutsche Wirtschaft bei einem vollständigen Zollabbau Belastungen in Milliardenhöhe einsparen könnte. Noch größere Impulse werden von der stärkeren Abstimmung bei Regelungen und Normen erwartet. Beide Handelsräume haben schon heute sehr hohe Standards bei Produktsicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz. Es ist nicht immer sinnvoll, Waren auf beiden Seiten des Atlantiks aufwendig zu prüfen, um zum gleichen Ergebnis zu kommen. Eine stärkere Abstimmung bei Normen, Prüfverfahren und Zulassungen könnte immense Kosten sparen. Hiervon würden vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland profitieren, die sich erneute Zertifizierungen in den USA bisher oft nicht leisten können.
Schließlich kann das geplante Abkommen auch ganz neue Chancen bei der zukünftigen Gestaltung von Freihandelsabkommen weltweit eröffnen. Denn in ihm würden neue Maßstäbe für nachhaltiges Wirtschaften und Arbeitnehmerschutz gesetzt.
Zu Ihrer Frage nach dem freien Mandat: Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind nach Art. 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“.
Andererseits haben die Fraktionen die berechtigte Erwartung, dass sich die Abgeordneten als Angehörige ihrer Fraktion freiwillig einer Mehrheitsentscheidung, die innerhalb der Fraktion gefunden wurde, gegenüber loyal erweisen und z. B. ein Gesetzesvorhaben mittragen, auch wenn sie persönlich das jeweilige Gesetz nicht in allen Punkten befürworten (sog. Fraktionsdisziplin oder Fraktionsloyalität).
In jedem Fall aber bleibt das Abstimmungsverhalten des Abgeordneten im Einzelfall seine freie Entscheidung. Egal – ob er mit der Fraktion abstimmt oder eine andere, davon abweichende Entscheidung trifft.
Diese Freiheit des einzelnen Angeordneten bei der Stimmabgabe findet auch in der Geschäftsordnung des Bundestages seinen Ausdruck. § 31 GO-BT sieht nämlich die Möglichkeit vor, dass jeder Abgeordnete im Rahmen einer persönlichen Erklärung die Gründe für sein (abweichendes) Stimmverhalten öffentlich darlegen kann. Eine solche Erklärung wird in das Plenarprotokoll aufgenommen und im Internet veröffentlicht.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann