Frage an Thomas Oppermann von Christian O. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Oppermann,
als befristet beschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Göttingen möchte ich Ihnen folgende Frage stellen: Wie positionieren sich aktuell die SPD im Allgemeinen und Sie im Besonderen zu befristeten Beschäftigungen im wissenschaftlichen Bereich?
Seit der HRG-Novelle 2002 und durch das WissZeitVG sind die Möglichkeiten für Wissenschaftler, befristet eingestellt zu werden, auf in der Regel 6 Jahre vor Promotion und 6 Jahre Postdoc eingeschränkt, wer danach keine unbefristete Stelle (an Universitäten also i.d.R. Professuren) hat, unterliegt also quasi einem Berufsverbot.
Dies gilt besonders, wenn es sich um kleinere, z.B. geisteswissenschaftliche Bereiche handelt, die nicht über übermäßige Drittmittel (wie z.B. in den Naturwissenschaften) verfügen, um ausreichend Beschäftigungen in Projekten zu schaffen.
Durch die jetzige Gesetzeslage ist es daher momentan so, daß, selbst wenn genügend (befristete) Mittel zur Verfügung stehen, die Universitäten unter Umständen eingearbeites Personal nicht weiterbeschäftigen können/wollen und so ausgebildetes Potential/Fachkompetenzen von Absolventen für die Sache verloren sind.
Im Grundsatz unterstütze ich sehr gerne die Forderung der SPD, daß die Beschäftigung in unbefristeten Arbeitsverhältnissen die Regel sein sollte. Meine Frage wäre aber an Sie, ob es im Einzelfall (wie im Wissenschaftssystem) nicht sinnvoller wäre, flexiblere arbeitsrechtliche Modelle (z.B. auf vertragsrechtlichem Weg) zu ermöglichen? Oder sollte es nicht grundsätzlich besser sein, die Beschäftigungsstruktur z.B. an Universitäten grundlegend zu ändern (z.B. nicht nur Professuren, sondern auch einen unbefristeten akademischen Mittelbau zu etablieren)?
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Opitz
Sehr geehrter Herr Opitz,
Befristungen sind arbeitsrechtlich möglich, insbesondere nach den Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes bei Probezeiten, Vertretungen oder nur vorübergehend anfallenden Aufgaben. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz geht - wie Sie wissen - über diese Möglichkeiten weit hinaus und schafft zusätzliche, wissenschaftsspezifische Befristungsmöglichkeiten, etwa ohne Sachgrund für eine Qualifizierungsphase von insgesamt 12 (in der Medizin 15) Jahren oder bei Drittmittelprojekten.
Wenn Sie nun sagen, diese reichen immer noch nicht aus, nehme ich das gern für die Beratungen in unserer Fraktion auf und möchte Ihnen wie folgt antworten.
Ich denke nicht, dass unendlich andauernde Kettenbefristungen eine akzeptable Lebensgrundlage für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind. Daher sind die im Gesetz genannten Höchstbefristungsdauern ein belastbarer Kompromiss, um flexible Beschäftigungsmöglichkeiten in der Promotion und in der beruflichen Einstiegs- bzw. Postdoc-Phase einerseits und die individuelle Beschäftigungssicherheit andererseits zum Ausgleich zu bringen. Mit der zusätzlichen Möglichkeit der Befristung auf der sachlichen Grundlage von Drittmitteln haben wir zudem deren wachsende Bedeutung aufgegriffen und mehr Flexibilität eröffnet. In der Regel ist nach den 12 bzw. 15 Jahren zumindest ein Übergang in die Drittmittelbefristung problemfrei möglich. In der Praxis haben natürlich Fachbereiche einen Vorteil, die auch eine ausgeprägte Drittmittelkultur aufweisen.
Wenn Sie sagen, Ihre Hochschule habe zwar nicht Drittmittel – dann wäre ihr Problem ohnehin gelöst –, aber hinreichend Eigenmittel, um Sie weiter befristet zu beschäftigen, dann stellt sich die Frage, wieso die Hochschule nicht bereit ist, ihre Stelle zu entfristen. Dadurch verlagert sich das Problem weg von den gesetzlichen Vorschriften hin in den Bereich eines professionellen Personalmanagements an den Hochschulen. Dieses muss bedarfsgerechte Personalentwicklungskonzepte auch unter Bedingungen unsicherer, da zunehmend wettbewerblich zu erzielender Einnahmen entwickeln und umsetzen. Ihr Fall ist - soweit ich das erkenne - ein klassischer Fall für eine vorausschauende Personalpolitik professioneller Hochschulen.
Die SPD hält die Befristungsmöglichkeiten in Teilen für zu weitgehend. Die Evaluation des Gesetzes hat gezeigt, dass über die Hälfte aller Befristungen eine Laufzeit von unter einem Jahr aufweisen, obgleich längere Zeiträume möglich wären. Das lässt ein Missbrauchspotenzial vermuten, dass die SPD mit einer Novelle abstellen will. So fordern wir für die Postdoc-Phase Mindestlaufzeiten von 24 Monaten, von denen nur begründet ab-gewichen werden kann. Bei Drittmittelbefristungen soll die Vertragsdauer mindestens so lange laufen, wie die Drittmittel bewilligt sind. Beides haben wir im Bundestag und Bundesrat eingebracht, beides wurde von der Bundesregierung bisher abgelehnt.
An einem Punkt möchte ich Ihnen ausdrücklich Recht geben. Die Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind derzeit völlig unzureichend. Die SPD fordert daher sowohl eine Verbesserung der Grundfinanzierung der Hochschulen, wobei wir für eine Bundesbeteiligung das Grundgesetz ändern und das Kooperationsverbot abschaffen wollen. Und wir fordern zweitens eine Personaloffensive für die deutschen Hochschulen, die den Flaschenhals verbreitert und die Karriereaussichten auch unterhalb der Professur verbessert. Ein wichtiger Baustein ist hier die Wiederbelebung des Mittelbaus mit neuen Personalkategorien unterhalb der Professur, etwa den Lecturer, Dozenten oder andere.
Probleme beim Befristungsrecht sind weder mit dem Drehen des Gesetzgebers an einer Stellschraube aus der Welt zu schaffen, noch ohne eine Verbesserung der allgemeinen Hochschulfinanzierung nachhaltig zu lösen.
Für Ihre berufliche und private Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann