Frage an Thomas Oppermann von Rolf F. bezüglich Innere Sicherheit
Guten Tag,
mit außerordentlichem Befremden beobachte ich in den letzten Tagen die Reaktionen Ihrer Partei zur NSA-Abhöraffäre.
Berichterstattungen über die Machenschaften der NSA sowie deren z.T. umfassenden Kooperation mit deutschen Nachrichtendiensten (Bericht z.B. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13494509.html ... von 1989, sprich von vor 24 Jahren), gibt es bereits seit Jahrzehnten.
Sprich also Dinge, bei denen davon auszugehen ist, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die jeweiligen Regierungen (gestellt von den Parteien CDU/CSU, FDP, Grünen und SPD) davon nicht gewusst haben. Und Reaktionen von ehemaligen sowie von weiter im Dienst befindlichen Geheimdienstmitarbeitern ebenso wie die Erzählungen von Herrn Snowden legen nahe, dass dies der Fall gewesen war und weiterhin der Fall ist.
Wie erklären Sie sich also die plötzlich von Ihrer Partei zur Schau getragene "Empörung", und wieso diese, obwohl entsprechende Machenschaften - schwerwiegende systematische Grundrechtsverletzungen, die Dinge wie die Vorratsdatenspeicherung lächerlich erscheinen lassen, durch die NSA und weitere US-Geheimdienste - offenbar bereits seit Jahrzehnten bekannt und offenbar - z.T. sogar wohlwollend (da augenscheinlich auch eigene Vorteile, sprich Informationen über eigene Bürger, die heimische Nachrichtendienste aufgrund von geltenden Grundrechten nicht sammeln dürfen, von der NSA erhalten wurden) - von den jeweiligen Regierungen toleriert wurden?
Handelt es sich hierbei um einen scheinheilig anmutenden Versuch, die deutsche Bevölkerung durch aufgesetzte und vorgespielte Empörung "für dumm zu verkaufen" und Mitschuld und Mitverantwortung von sich zu weisen?
Oder ist hierbei, so unwahrscheinlich es dem Skeptiker auch erscheinen mag, tatsächlich Unwissen der meisten der sich Empörenden, aufrichtige Überraschung und daraus resultierendes Entsetzen über das, was vorgefallen ist und offenbar weiterhin vorfällt, der Grund?
Vielen Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Fichtmüller,
die Enthüllungen von Edward Snowden gehen weit über die von Ihnen zitierten Berichte hinaus. Er hat damit eine breite gesellschaftliche Debatte über schrankenlose staatliche Überwachung ausgelöst hat. Die Abhörprogramme der USA scheinen völlig außer Kontrolle geraten zu sein. Sechs Wochen nach Beginn der Affäre wissen wir immer noch nicht, welche Daten wann von wem abgeschöpft worden sind.
Der Vorwurf, dass unsere Partner und Freunde 500 Millionen E-Mails und Telefonate abhören beziehungsweise aufzeichnen, ist so ungeheuerlich, dass die Kanzlerin dies zur Chefsache Nummer Eins machen müsste. Stattdessen versucht sie, sich aus der Sache rauszuhalten, und schickt ohne volle Rückendeckung ihren Innenminister nach Washington, der mit leeren Händen zurückkommt.
Frau Merkel muss endlich aktiv werden und dafür sorgen, dass eine Totalüberwachung von deutschen Bürgern gestoppt wird:
Die Bundesregierung sollte jetzt als erstes darauf dringen, dass wir von unseren Verbündeten nicht länger als Angriffsziel eingestuft werden, denn das halte ich für unerträglich. Als nächstes müssen wir zu belastbaren, internationalen Vereinbarungen über den Schutz der Grundrechte auch bei den Diensten unserer Nato-Partner kommen. Wenn das nicht gelingt, dann müssen wir die Spionageabwehr auch auf befreundete Partner ausweiten.
Wir können nicht akzeptieren, dass wir von befreundeten Staaten überwacht werden. Das ist eine Frage der Souveränität.
Die Bundesregierung muss Klarheit über die Fortwirkung alter Abhörvereinbarungen schaffen und einen klaren Trennstich ziehen. Deutschland muss die historischen Vereinbarungen kündigen und dem Datenschutz Vorrang gewähren.
Wir brauchen außerdem dringend eine europäische Cyber-Sicherheitsstrategie und eine Datenschutzrichtlinie, mit der wir die Daten der Bürger international auch gegenüber den USA besser schützen können.
Ich werde das Parlamentarische Kontrollgremium während der Sommerpause zu weiteren Sondersitzungen einberufen. Dort muss die Bundesregierung Rede und Antwort stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann