Frage an Thomas Oppermann von Daniela H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Oppermann,
Ende April war vor allem in Onlinemedien zu lesen, dass die Deutsche Bank in ihrer Bilanz ein Derivatevolumen von über 70 Billionen (70.000.000.000.000) Euro verzeichnet hat.
Macht man sich die Mühe und schaut sich die Bilanz der Deutschen Bank an, ist das sogar richtig.
Nun wissen die meisten von uns, auch aufgrund der Krise, was Derivate sind. Im Grunde nicht mehr als unübersichtliche Wetten und Spekulationen auf Preise, Kurse, Entwicklungen von XY, und wer es ganz perfide mag spekuliert auf Nahrungsmittel. Oder wettet darauf, ob ein bewaffneter Konflikt ausbricht, oder nicht. Derivate sind also im Moment unkontrollierbar und können Ausmaße annehmen, die die meisten nur noch als abartig und abstoßend betiteln würden.
Nun nehmen wir einmal an die Deutsche Bank geht pleite. Irgendein Ereignis führt zum GAU und die Deutsche Bank bittet darum „gerettet“ zu werden.
Nun meine Frage(n):
Wie soll eine Bank allein mit einem Derivatevolumen von ca. 70 Billionen € abgefangen werden?
Woher nimmt der Staat das Geld? Bei wem müsste sich der Staat wiederum verschulden um diese Summe aufzubringen?
Könnte sich Deutschland überhaupt so hoch verschulden?
Ist die Kreditsumme überhaupt noch wichtig? Oder zählt nur noch, ob man die Zinsen bezahlen kann? Man bekommt in jedem Bereich (privat, geschäftlich und auch bei Staaten) immer mehr diesen Eindruck.
Oder wäre dieser Fall nur noch zu lösen indem man das „zypriotische Modell“ anwendet, also die Konten der Steuerzahler sperrt und mit deren Geldern „arbeitet“?
Sollte man angesichts der exorbitanten Summe von 70 Billionen Euro nicht wenigstens in Erwägung ziehen, die Banken ihr „Testament“ schreiben und vorlegen zu lassen, so wie es in den Vereinigten Staaten eingeführt wurde? Und wenn nicht, warum nicht? Es ist doch auch von öffentlichem Interesse mit wem Banken wetten und spekulieren und vor allem, auf was.
Ich wünsche Ihnen alles Gute
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Holm
Sehr geehrte Frau Holm,
vielen Dank für Ihr freundliches Schreiben.
Sie weisen auf eine Reihe gravierender Fehlentwicklungen hin. Ich teile Ihre Analyse, dass etwas aus dem Lot geraten ist und wir deshalb die Finanzmärkte regulieren müssen.
Peer Steinbrück hat vor einigen Monaten ein fundiertes Konzept vorgelegt, das von Experten viel Zustimmung bekommen hat. Die Eckpunkte sind:
- die Einführung einer Finanztransaktionssteuer
- das Ende der Staatshaftung für Banken, stattdessen müssen die Banken einen Fonds und ein Abwicklungsregime aufbauen und für eingegangene Risiken selbst haften
- ein Trennbankensystem (Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken)
- Beschränkung des Eigenhandels von Banken
- das Verbot spekulativer Geschäfte mit Kreditderivaten und ungedeckten Leerverkäufen
- das Verbot von Spekulation mit Lebensmitteln
- die persönliche Haftung der verantwortlichen Manager
- strengere Bilanzierungspflichten von Banken
- das Austrocknen von Steueroasen
Die Details unseres Konzeptes zur Regulierung der Finanzmärkte finden Sie hier: http://www.spd.de/scalableImageBlob/77088/data/20120926_steinbrueck_papier-data.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann