Frage an Thomas Oppermann von Frank B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Oppermann,
warum haben Sie sich bei der Abstimmung über den Antrag der Linken zur Verhinderung der Privatisierung der Trinkwasserversorgung (*) am 28.02.2013 enthalten, aber dem inhaltlich gleichen Antrag der Grünen (**) noch am selben Tag zugestimmt?
Mit freundlichen Grüßen
Frank Beinhorn, Göttingen
* http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik/index.jsp?id=212
** http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik/index.jsp?id=213
Sehr geehrter Herr Beinhorn,
gerne nehme ich zu unserem Abstimmungsverhalten Stellung. Zum Tagesordnungspunkt „Wasserprivatisierung“ wurden im Deutschen Bundestag drei Anträge gestellt, von der SPD, den Grünen und den Linken. Unseren Antrag finden Sie hier: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/125/1712519.pdf
Wasser ist ein lebensnotwendiges Gut; eine qualitativ hochwertige und bezahlbare Wasserversorgung muss daher Ziel guter Politik bleiben. Deswegen fordert die SPD-Bundestagsfraktion, öffentliche Träger der Wasserversorgung wie Stadtwerke oder kommunale Zweckverbände aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen. Es gibt keinen Grund, gute und bezahlbare öffentliche Wasserversorgung dem Wettbewerb zu unterwerfen.
Doch die EU-Richtlinie berührt nicht nur den wichtigen Bereich Wasserversorgung: In unserem Antrag weisen wir zudem darauf hin, dass auch andere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, die nicht wie die Strom- und Gasversorgung ausdrücklich liberalisiert worden sind, von der Konzessionsrichtlinie betroffen sind. Zu den nichtliberalisierten Feldern gehören neben der Wasserversorgung auch der gesamte Bereich der Gesundheitswirtschaft, so dass Verträge zwischen Kommunen und Gesundheitsdiensten bzw. Krankenhäusern/Altenheimen in Zukunft von den neuen Richtlinien im Prinzip ebenfalls erfasst würden. Dies birgt völlig unübersehbare Probleme, die bisher nicht ausreichend analysiert worden sind.
Dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ("Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür") haben wir zugestimmt, weil er explizit den Parteitagsbeschluss der CDU vom 3. bis 5. Dezember 2012 in Hannover aufgreift, der ebenfalls die anderen betroffenen Bereiche der Daseinsvorsorge erwähnt. Darin beschloss die CDU ihre Ablehnung der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie – im Gegensatz zur befürwortenden Position der Bundesregierung von Angela Merkel.
Bei der Abstimmung zum Antrag der Fraktion der Linken ("Wasser ist ein Menschenrecht - Privatisierung verhindern") haben wir uns der Stimme enthalten, weil er die Effekte der Richtlinie auf andere Aspekte der Daseinsvorsorge nicht thematisiert und uns daher nicht weit genug ging.
Die SPD wird sich weiter dafür stark machen, dass Wasser öffentliches Gut bleibt und unsere besonderen Strukturen in der kommunalen Daseinsvorsorge gerade im Bereich Gesundheit erhalten bleiben.
Anfang Februar sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel: „Die Wasserversorgung ist in der öffentlicher Hand am besten aufgehoben“ – und forderte die Parteibasis ausdrücklich zum Mitmachen bei der EU-weiten Unterschriftenaktion „Wasser ist Menschenrecht“ auf.
Auch Peer Steinbrück hat sich auf dem SPD-Bundesparteitag 2012 in Hannover klar gegen die Privatisierung der Wasserversorgung ausgesprochen: „Wir wollen nicht wie andere den Markt an die Stelle des Staates setzen und die Menschen damit allein lassen; denn es gibt Lebensbereiche, deren Qualität nur erhalten und gesichert werden kann, wenn sie eben nicht zu reinen Marktbeziehungen werden.“
Die Forderung „Wasserversorgung soll in staatlicher Hand bleiben“ belegte außerdem auf der Liste der Bürgerprojekte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürger-Konvents zum SPD-Wahlprogramm am ersten März-Wochenende Platz fünf – von insgesamt 40.000 während des Bürger-Dialogs eingereichten Ideen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann