Frage an Thomas Oppermann von Karen S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Oppermann,
meine Frage bezieht sich außer auf Gesundheit ebenso auf Bürgerrechte, Kinderrechte und damit Justiz, Familie, wie Kinder und Jugend:
Die Bundesregierung will kurzfristig im November einen Gesetzentwurf einbringen, der die Beschneidung von nichteinwilligungsfähigen Jungen ohne medizinische Indikation legalisiert. Über 60 Ihrer Kolleginnen und Kollegen haben jetzt einen Alternativentwurf vorgelegt, der die Legalisierung dieses mit Risiken behafteten, schmerzhaften und irreversiblen Eingriffs von der Einwilligung ab dem Alter von 14 Jahren und nur durch zugelassene Fachärzte nach ausführlicher Aufklärung vorsieht.
Können Sie diesem Alternativentwurf zustimmen?
Sind Sie mit mir der Meinung, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung nicht vereinbar ist mit dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2,2 GG), dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3, Satz 1 und 2 und dem Artikel 24,3 der UN-Kinderechtskonvention, der verpflichtet „alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen zu treffen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen"?
Es kommt einem Sondergesetz insbesondere für eine Religionsgruppe gleich, der Religionsgruppe, die schon einmal vor Jahrzehnten aufs Schlimmste unter Sondergesetzen gelitten hat. Auch das kann doch keiner wollen!
Zudem:
Wo bleibt denn die Religionsfreiheit des Kindes, wenn es für immer gezeichnet ist. Ich sehe im Grundgesetz keinen Satz, der da lautet, dass ich "meine" Religionsfreiheit am Körper eines anderen ausüben darf. Eine symbolische Handlung beim Kind ginge doch auch.
Das Erziehungsrecht der Eltern wurde im Falle von Zeugen Jehovas, die ihre Kinder statt in Schulen zu schicken selbst unterrichten wollten, beschnitten - m.E. zur Recht. Logischerweise muss das Erziehungsrecht der Eltern angesichts dieser Körperverletzung erst recht hinter dem des Rechts auf körperliche Unversehrtheit zurückstehen!
Mit freundlichen Grüßen
Karen Stenzel
Sehr geehrte Frau Stenzel,
über die Gesetzentwürfe haben wir in unserer Fraktion sehr ausführlich diskutiert. Am Ende war es die Gewissensentscheidung jedes Einzelnen, wie er abstimmt.
Das Thema ist komplex, da hier zwei grundrechtlich geschützte Rechtsgüter abzuwägen sind: das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und das Recht der Eltern auf Ausübung ihrer Religion.
Ich habe dem Entwurf der Bundesregierung zugestimmt und gegen den Alternativantrag gestimmt. Ein wesentlicher Gesichtspunkt war für mich, dass Menschen jüdischen und muslimischen Glaubens fürchten um die Möglichkeit, ihren Glauben in Deutschland leben zu können. Jüdisches und muslimisches Leben und deren Kultur sind fester Bestandteil der Gesellschaft in Deutschland, für ihren Schutz haben wir nach den Verbrechen des Nationalsozialismus eine besondere historische Verantwortung. Diese Punkte hat Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede überzeugend ausgeführt.
Die körperliche Unversehrtheit der Kinder ist ein hohes Rechtsgut, das ebenfalls vom Grundgesetz garantiert ist. Deshalb schreibt das Gesetz vor, dass die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst und ohne unnötige Schmerzen durchzuführen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann