Frage an Thomas Oppermann von Jonas R. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Oppermann,
Ich habe leider nur den Schlusspart der Phönix Runde über Nebeneinkünfte mitangesehen, jedoch möchte ich zuerst ein Lob loswerden, dass sie glaubhaft seit Jahren an einer Verbesserung der Transprarenz und Bekämpfung der Korruption arbeiten. Nun meine Fragen, sind bei einer 60h Woche von Abgeordneten den überhaupt Nebenbeschäftigung zeitlich ohne zu Lasten der Vokksvertretung möglich? Wie halten Sie es selbst mit ihrer Juristentätigkeit? Warum muss ein normaler Angestellter sich Nebenbeschäftigungen genehmigen lassen und ein Abgeordneter nicht?
Ich finde es beschämend, wie manch ein anderer Abgeordneter sich dahinter versteckt, dass die Materie doch so komplex sei, wobei doch ein Heer an Experten zur Verfügung steht. Machen Sie bitte weiter so und helfen sie diese beschämende Situation mit der UN Resolution zu lösen.
Mit freundlichen Grüßen
Jonas Roebke
Sehr geehrter Herr Roebke,
vielen Dank für Ihr freundliches Schreiben.
Die SPD setzt sich seit Jahren für mehr Transparenz von Abgeordneten ein. Abgeordnete haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Dazu gehört, dass erkennbar sein muss, ob die Abgeordnete von Dritten abhängig sind. Mögliche Interessenkollisionen und mögliche Interessenverflechtungen müssen erkennbar, diskutierbar und kritisierbar sein. Deshalb brauchen wir Transparenz bei den Nebeneinkünften der Abgeordneten im Deutschen Bundestag.
CDU, CSU und FDP haben sich dagegen immer gewehrt. 2002 hat die SPD durchgesetzt, dass vorhandene Nebentätigkeiten generell veröffentlicht werden müssen. Seit 2005 müssen auch die dazugehörigen Nebeneinkünfte in einem Stufensystem veröffentlicht werden. CDU, CSU und FDP haben in beiden Fällen dagegen gestimmt. Und heute sind sie wieder gegen unseren Vorschlag für mehr Transparenz.
Nur als Peer Steinbrück vor vier Wochen SPD-Kanzlerkandidat wurde, hat die Koalition für einen kurzen Augenblick vergessen, dass sie bisher immer gegen mehr Transparenz war. Es war ein Akt grober Heuchelei der Regierungsparteien, dem designierten Kanzlerkandidaten seine Nebeneinkünfte vorzuwerfen und die vollständige Offenlegung zu verlangen. Diese Scheinheiligkeit entlarvte sich, als Peer Steinbrück den Spieß umdrehte. Als er echte Transparenz bei allen Abgeordneten einforderte, ruderten plötzlich diejenigen am schnellsten zurück, die sich gegen Steinbrück am meisten aufgeplustert hatten.
Wir haben klare Vorschläge auf den Tisch gelegt:
1) Wir wollen, dass die Einkünfte aus Nebentätigkeiten auf Euro und Cent dem Bundestagspräsidenten nicht nur gemeldet, sondern von diesem auch so veröffentlicht werden müssen. Genannt werden müssen auch Art der Tätigkeit, Höhe des Entgelts, Name und Sitz des Arbeit- oder Auftragsgebers oder des Vertragspartners, für den der Abgeordnete tätig ist.
2) Bislang gibt es für die Anzeige- und Veröffentlichung eine Untergrenze. Wir sagen: Die Transparenzregeln dürfen nicht umgangen werden. Insbesondere nicht durch Stückelung von Beträgen.
3) Schutzwürdige Interessen Dritter bleiben gewahrt. Soweit gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Verschwiegenheitspflichten bestehen, muss der Abgeordnete über den Vertragspartner keine Angaben machen. Kaufleute müssen daher ihre Kundenbeziehungen nicht im Einzelnen preisgeben. Rechtsanwälte müssen Einzelheiten aus ihrem Mandantenverhältnis nicht offen legen. Wir wollen aber, dass der Bundestagspräsident seinen rechtlichen Spielraum ausschöpft und die Branchen, aus denen die Mandate stammen, veröffentlicht werden müssen.
4) Wir wollen, dass die Transparenzregeln besser als bislang durchgesetzt werden. Dazu müssen die Sanktionen spürbar verschärft werden. Werden Nebentätigkeiten verschwiegen, sollte die Höhe der Einkünfte aus diesen Tätigkeiten von den Diäten unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen abgezogen werden.
Am 25. Oktober hat die Koalition in der Rechtstellungsstellungskommission eine erweiterte Stufenregelung präsentiert und gegen die Stimmen der Opposition durchgesetzt. Sie hat sich bewegt, ist aber immer noch nicht bereit, echte Transparenz herzustellen.
Ich halte eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte nach Euro und Cent weiterhin für richtig und bin sicher: Dies ist noch nicht das letzte Wort. Wir werden die weiteren Gespräche in der Kommission nutzen, um noch mehr Transparenz zu erreichen.
Das zweite Thema, das Sie ansprechen, ist die Abgeordnetenbestechung: Auch hier ist eine rechtliche Regelung überfällig. Der Bundestag darf nicht das einzige Parlament und Deutschland nicht die einzige parlamentarische Demokratie auf der Welt sein, wo Abgeordnetenbestechung auch in Zukunft straffrei möglich ist. Sonst blamiert sich Deutschland bis auf die Knochen.
Deutschland hat 1999 und 2003 völkerrechtliche Übereinkommen über globale Standards bei der Korruptionsstrafbarkeit und der Abgeordnetenbestechung unterzeichnet. Mehr als 150 Länder haben das Antikorruptionsübereinkommen umgesetzt, Deutschland peinlicherweise noch nicht - neben Ländern wie Syrien, Saudi-Arabien und Sudan.
Schon in der 15. Wahlperiode hatte die SPD-Fraktion in der Rot-Grünen Koalition einen ersten Anlauf unternommen, um für die Umsetzung der UN-Konvention gegen Korruption zu sorgen. Nach dem Entwurf der SPD-Fraktion sollte das bislang straflose Annehmen, Sichversprechenlassen oder Fordern von Vorteilen für Mandatshandlungen unter Strafe gestellt werden. Die vorgezogene Bundestagswahl verhinderte weitere Beratungen.
In der 16. Wahlperiode, also zur Zeit der Großen Koalition, hat sich die SPD-Fraktion des Themas unverzüglich wieder angenommen. Die Beratungen mit der CDU/CSU-Fraktion gerieten jedoch ins Stocken, und schließlich verweigerte die Union jedwede weitere Gespräche zu diesem Thema. Ein Alleingang der SPD-Fraktion schied aus, da nach dem Koalitionsvertrag Gesetzentwürfe nur gemeinsam eingebracht werden durften.
Am 8. Februar 2012 hat die SPD-Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung formuliert, zu dem in dieser Woche eine Anhörung im Rechtsausschuss stattfand. Unseren Gesetzentwurf finden Sie hier: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/086/1708613.pdf
Die schwarz-gelbe Koalition muss jetzt ihren Widerstand gegen die gesetzliche Regelung der Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung aufgeben.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann