Frage an Thomas Oppermann von Jay S. bezüglich Wirtschaft
ESM und Fiskalvertrag
Sehr geehrter Herr Oppermann,
warum lassen Sie es zu, dass der Bundestag über den ESM und den Fiskalvertrag im Schnellverfahren entscheiden soll?
Der Termin zum 01.07.2012 ist doch sowieso nicht zu halten, weil der Bundespräsident angekündigt hat, dass er auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Einstweiligen Anordnungen wartet.
http://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsklagen-gegen-esm-und-fiskalpakt-endlich-kommt-es-zum-schwur-1.1396525
Das Bundesverfassungsgericht hat den Bundestag mehrmals aufgefordert seine Rechte in EU-Angelegenheiten wahr zu nehmen und nicht nur Vorstellungen der Regierung abzunicken. Warum nehmen Sie Ihre Rechte nicht wahr? Es geht hier um eine Verfassungsänderung mit großem Ausmaß?
Fühlen Sie sich von der Bundesregierung richtig informiert?
Was halten Sie von einem Bericht des Bundesrechnungshof nach dem die Risiken bei ESM viel höher sind als ursprünglich vorgesehen?
Sind Sie überzeugt, dass ESM und Fiskalvertrag wirklich die Lösung sind?
Wäre es nicht notwendig, dias Bankgeschäft und Kapitalmarkt besser zu regulieren und zu kontrolieren?
Müsste nicht auch die EU-Kommission effektiver aufgestellt werden (Weniger Quantität, Mehr Qualität und Befugnisse)?
Vielen Dank im Voraus und mit der Hoffnung das Sie das richtige tun.
Mit freundlichen Gruß
Scharff
Sehr geehrter Herr Scharff,
ich stimme Ihnen zu, dass eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte dringend notwendig ist. Dies ist die Lehre aus der Finanzkrise von 2008. Peer Steinbrück erarbeitet für unsere Fraktion entsprechende Vorschläge.
Außerdem müssen wir die Verursacher der Krise an den Kosten beteiligen. Deshalb bin ich froh, dass wir nach intensiven Verhandlungen mit der Bundesregierung einen Durchbruch bei der Finanzmarkttransaktionssteuer erreicht haben: Auf dem Weg der Verstärkten Zusammenarbeit soll ein entsprechendes Gesetz in neun EU-Staaten verabschiedet werden.
Ich habe großen Respekt vor der Bitte des Bundesverfassungsgerichts an den Bundespräsidenten, mit der Ausfertigung der Gesetze bis nach der Prüfung der Verfassungsbeschwerden zu warten. In der Sache bedeutet dies, dass der ESM nicht wie geplant zum 1. Juli 2012 in Kraft treten kann.
Es erweist sich damit als schlimmer Fehler der Bundesregierung, dass sie die
Ratifizierung des ESM so spät in Angriff genommen hat. Die Bundeskanzlerin hätte nach dem Beschluss über den ESM am 23. Januar 2012 die Ratifizierung sofort in die Wege leiten müssen. Stattdessen hat Angela Merkel aufgrund des Streits in der Koalition und aus taktischen Gründen mit Rücksicht auf die Landtagswahlen damit bis zum letztmöglichen Zeitpunkt gewartet. Das war ein unverantwortlicher Umgang mit der Zukunft Europas.
Wir haben uns die Entscheidung über ESM und Fiskalpakt nicht leicht gemacht. Über mehrere Wochen hinweg haben wir intensiv mit der Bundesregierung verhandelt und uns in wesentlichen Punkten durchgesetzt. Außerdem haben wir in unserer Fraktion ausführlich und auch mit externen Fachleuten über die Gesetzentwürfe beraten, zuletzt drei Stunden am vergangenen Dienstag und in einer Sonderfraktionssitzung am heutigen Freitag.
Meine inhaltliche Bewertung von ESM und Fiskalpakt habe ich bereits am 27. Juni auf Fragen von F. C. u. H. V. ausführlich dargelegt.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann