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Frage von Sascha M. •

Frage an Thomas Oppermann von Sascha M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Oppermann,

in Ihrem gestrigen Beitrag in der aktuellen Stunde des Bundestags (132. Sitzung vom 19.10.2011) zu "Befugnisse und Instrumentarien von Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden im Internet bei Verfolgung von schweren Straftaten" forderten Sie eine Optimierung der Strafprozessordnung (StPO) von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, in dem folgender Satz aus dem BKA-Gesetz (BKAG, § 20k) in die StPO übernommen werden soll: "Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen."

Ich frage mich aber, warum die Übernahme in die StPO nicht schon bis 2009 erfolgte, also im Kabinett Merkel I. Damals stellte die SPD mit Frau Zypries die Bundesjustizministerin.

Darüber hinaus stellte die SPD mit Herrn Steinbrück den Bundesfinanzminister, dessen Behörde wiederum für den Zoll zuständig ist. Laut Spiegel Online (12.10.2011) hat das Zollkriminalamt (ZKA) bestätigt, dass Fahnder mit Software des von Ihnen kritisierten Anbieters DigiTask Telekommunikation auf Computern von Zielpersonen überwachen (Quellen-TKÜ) und diese Methode zwischen Anfang 2007 bis März 2011, also auch während der Amtszeit von Herrn Steinbrück, zum Einsatz kam.

MfG
Sascha Maier

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Maier,

die Änderung des Verfassungsschutzgesetzes in Nordrhein–Westfalen im Dezember 2006 war der erste Fall, in dem eine rechtliche Grundlage zur Durchführung von Online-Durchsuchungen geschaffen wurde. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Vorschrift am 27. Februar 2008 für verfassungswidrig und nichtig (BVerfG, 1 BvR 370/07 vom 27.2.2008), da sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzte.

Als Reaktion auf dieses Urteil beschloss die Große Koalition, eine gesetzliche Grundlage für eine Online-Durchsuchung von Computersystemen zunächst im (präventiven) Bereich der Gefahrenabwehr zu entwickeln. Dementsprechend wurde das Bundesinnenministerium beauftragt, für das BKA-Gesetz einen den höchstrichterlichen Maßstäben genügenden Regelungsvorschlag vorzulegen. Für den Bereich der (repressiven) Strafverfolgung sollte von Seiten des Bundesjustizministeriums erst einmal geprüft werden, ob es zum Einen einer ergänzenden Bestimmung bedarf, um die sog. Quellen-TKÜ als Spezialfall der TKÜ in der StPO zu regeln. Zum Anderen sollte geprüft werden, ob es einer Vorschrift in der StPO bedarf, um zu Strafverfolgungszwecken unter engsten Voraussetzungen eine Online-Durchsuchung von Computersystemen zu ermöglichen.

Die Änderung des BKA-Gesetzes trat zwar am 1. Januar 2009 in Kraft. Doch wie bereits Ende 2008 angekündigt, erhoben mehrere Kritiker ab Ende Januar 2009 eine Reihe von Verfassungsbeschwerden gegen das BKA-Gesetz. Meines Wissens hat das BVerfG bis heute darüber nicht entschieden.

Da sinnvollerweise eine Klärung des Bundesverfassungsgerichts über die 2009 erhobenen Beschwerden abgewartet werden sollte und nicht zuletzt wegen des Endes der Legislaturperiode, wurde in der 16. Wahlperiode keine gesetzgeberische Initiative mehr gestartet.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Oppermann