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Thomas Oppermann
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Frage von Rainer B. •

Frage an Thomas Oppermann von Rainer B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Oppermann,

in der Bundestagsdiskussion zur Hilfe für Griechenland aus dem Euro-Rettungsschirm haben Sie die Politik der aktuellen Bundesregierung scharf kritisiert und der Kanzlerin Versagen und Schuld an der Schuldensituation in Griechenland vorgeworfen.

Wieso vergisst die SPD und insbesondere Sie als wesentlich Beteiligter so gerne dass Sie in der rot/grünen Regierung ganz wesentlich die heutige Situation verursacht haben?
Unter dem Kanzler Schröder hat der damalige Finanzminister Eichel dafür gesorgt dass die Euro-Stabilitätskriterien so aufgeweicht wurden dass Griechenland überhaupt die Chance bekam den Euro einzuführen. Und das vor allem weil Deutschland selbst damals 4 Jahre nacheinander die 3% Stabilitätsgrenze überschritten hat. Das Schweizer Fernsehen hat in der Dokumentation "Der Euro am Abgrund" eindeutig belegt dass der eigentlich stabil konstruierte Euro dadurch erst anfällig für die aktuellen Probleme wurde.

http://www.videoportal.sf.tv/video?id=cd2a506a-6e39-4700-b98f-d4c894175d83

Zwischen Minute 17 und 22 zu sehen kommentiert von den Experten (Ökonom Beat Kappeler, Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann und Österreichs Ex-Finanzminister Grasser)
Außerdem wurde dort auch gezeigt wie Frau Merkel darum gekämpft hat die privaten Gläubiger einzubeziehen und von der französischen Finanzministerin ausgebremst wurde.

Bei Ihren Reden im Bundestag musste ich mir die Fragen stellen die ich jetzt an Sie formuliere:
Wieso werfen Sie der Kanzlerin weiterhin vor dass sie im vorigen Jahr erst den IWF einbinden wollte bevor sie der Griechenlandhilfe zustimmt obwohl heute jeder weiß dass es richtig war?
Wieso hat die SPD nicht das Rückrat zu diesen eigenen Fehlern unter Schröder zu stehen?
Halten Sie die (SPD-)Wähler für so vergesslich?

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Baack

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Baack,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 11. Juni 2011. Zu Ihren Vorwürfen gegen die Politik der SPD möchte ich Ihnen folgendes antworten:

1.Auch die SPD war von Anfang an für die Einbeziehung des IWF, anders als der Finanzminister Wolfgang Schäuble, der einen Europäischen Währungsfonds errichten wollte und von der Kanzlerin erst auf ihre Linie verpflichtet werden musste.

2. Die Bundeskanzlerin hat leider überhaupt nichts durchgesetzt, abgesehen davon, dass Deutschland für seinen Außenhandelsüberschuss keine Strafzahlung leisten muss und dass die Tranchen für die Bareinlage des ESM über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Insbesondere hat die Kanzlerin bisher keinen Erfolg mit ihrer Forderung nach einer Gläubigerbeteiligung. Die Vereinbarungen des Europäischen Rates im Dezember 2010 und im März 2011 sind butterweich und außerdem nicht praktikabel. Weil eine effektive Gläubigerbeteiligung dort nicht vereinbart wurde, wird dies nun auch im Kreis der Finanzminister nicht gelingen. Die Bundesregierung hat sich durch ihre taktischen Spielchen seit mehr als einem Jahr nur Zeit gekauft, ohne substantiell etwas durchzusetzen.

3. Dass Deutschland während der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder die jetzige Krise verursacht hätte, ist abwegig. Die Krise wurde durch spekulative Geschäfte mit undurchsichtigen Finanzprodukten am amerikanischen Markt verursacht. Durch die Anpassungen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstums(!)pakts wurde überhaupt erst ermöglicht, dass in einer Krisensituation noch wachstumsfördernde Konjunkturpakete möglich sind. Unter dem alten Regime wären die erfolgreichen Stabilisierungsmaßnahmen für die deutsche Wirtschaft (Konjunkturpakete I und II, Deutschlandfonds etc.), die maßgeblich von den sozialdemokratischen Kabinettsmitgliedern Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz in der großen Koalition konzeptioniert wurden, nicht möglich gewesen. Zusätzlich hat Deutschland mit Unterstützung der SPD eine effektivere Schuldenregel in die Verfassung eingefügt, die in ihrer Anwendung leider von der aktuellen Regierungskoalition mit Füßen getreten wird. Durch willkürliche Interpretationen werden mindestens 50 Mrd. Euro zusätzliche Verschuldungsspielräume geschaffen, die zur Finanzierung ihrer Wahlkampf-Kriegskasse genutzt werden sollen.

4. Dass Sie ausgerechnet den ehemaligen österreichischen Finanzminister Karl-Heinz Grasser als Gewährsmann für solide Finanzpolitik anführen, überrascht mich sehr. Seit mehreren Jahren sorgt er immer wieder für Schlagzeilen, da gegen ihn Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung und Amtsmissbrauch eingeleitet wurden.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Oppermann