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Frage von Hans-Günter G. •

Frage an Thomas Oppermann von Hans-Günter G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Oppermann,

als Reaktion zur Kommunismusaussage von Gesine Lötzsch sollen Sie laut SPIEGEL ONLINE. gesagt haben: "Mit dem Porschefahrer und Salonbolschewisten Klaus Ernst und der Fernziel-Kommunistin Gesine Lötzsch haben die Linken jetzt gleich zwei Bruchpiloten an der Spitze"

Davon abgesehen, dass diese Beurteilung mit seriöser, sachlicher Politik nichts zu tun hat und vielmehr in die Kategorie "Bedienung niedrigster Instinkte" einzuordnen ist, können Sie mir folgende Fragen beantworten?

Wenn eine Partei wie DIE LINKE, die erst 2007 gegründet wurde, über 10 % Wähler hat und im Bundestag, sowie in den meisten Landtagen vertreten ist, sind dies Erfolge von "Bruchpiloten"?

Wäre Ihnen eine sachliche Auseinandersetzung mit den Begriffen Kommunismus, demokratischer Sozialismus, Anbetrachts der Geschichte der SPD peinlich?

Wissen Sie wie viel Varianten des Kommunismus bekannt sind und welche Gesine Lötzsch gemeint hat?

Sind Sie als Abgeordneter der SPD auch heute noch Anhänger der Agenda 2010, trotz ihrer menschenverachtenden Politik wie Hartz IV, Leiharbeit mit Lohndumping, Minijobs und Deregulierung der Finanzmärkte, die mit Schuld war an der Banken-und Finanzkrise?

Wenn Nein, was würden Sie gerne rückgängig machen?

Als Befürworter eines flächendeckenden Mindestlohns, mit welchem Koalitionspartner wollen Sie diesen durchsetzen?

Wenn Sie sich um eine sachliche und ernsthafte Beantwortung bemühen, bedanke ich mich schon jetzt.

Hans-Günter Glaser

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Glaser,

vielen Dank für Ihre Frage vom 11. Januar 2011.

Gesine Lötzsch hat mit ihrem Essay „Wege zum Kommunismus“ und ihrer im letzten Moment zurückgezogenen Zusage, an der Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Konferenz teilzunehmen, offenbart, mit welch geistigem Umfeld sie sich gemein macht.

Ich kritisiere vor allem, dass sie in sektiererische politische Milieus abdriftet: Sie wollte zusammen mit Bettina Jürgensen, der Vorsitzenden der linksextremistischen Splitterpartei DKP, und mit Inge Viett, einer ehemaligen RAF-Terroristin, auftreten.

In der Tageszeitung „junge Welt“ schrieb Frau Viett am 24. Februar 2007 unter dem Titel „Lust auf Freiheit“ über den „Klassenkampf von unten“: Der „politisch/militärische Angriff“ damals sei „für uns der angemessene Ausdruck für unseren Widerstand gegen den Kapitalismus“ gewesen. Rückblickend beklagt sie, „dass dem Guerillakampf in der BRD und in allen imperialistischen Staaten verdammt mehr Erfahrung, Klugheit, Ausdauer und Unterstützung zu wünschen gewesen wären“.

Die absolute Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hat nicht die geringste Lust, sich auf solche Experimente einzulassen. Die Reformer und pragmatischen Köpfe in der Linkspartei stehen sicher auch fassungslos vor diesen Thesen und einem solchen Umfeld.

Meine Antwort ist und bleibt die soziale Demokratie. Die Bürgerschaftswahl in Hamburg hat gezeigt, dass die SPD mit einem klaren Kurs sehr erfolgreich ist, der wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit miteinander verbindet. Wir haben damit die gesellschaftliche Mitte für die Sozialdemokratie zurückgewonnen.

Dank der Reformen, die mit der - von SPD und Grünen beschlossenen - Agenda 2010 verbunden waren, ist Deutschland nach der Finanzkrise besser aufgestellt als viele andere Industrienationen. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe beendete Doppelstrukturen und ist der Grundstein für bessere Betreuung und Vermittlung von Arbeitslosen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 einige Korrekturen an Hartz IV angemahnt. Nach einer monatelangen Blockade durch Schwarz-Gelb hat die SPD in den Vermittlungsverhandlungen einen großen Erfolg für Arbeitnehmer und Arbeitslose, Ehrenamtliche, bedürftige Kinder und die Kommunen erzielt.

Diese konkreten Erfolge hat die SPD errungen, obwohl Schwarz-Gelb die zermürbenden Gespräche mit einer Mischung aus Betonpositionen und mangelnder Einigkeit an den Rand des Scheiterns gebracht und zwischendurch abgebrochen hatte.

Sie weisen zu Recht darauf hin, dass wir Mindestlöhne brauchen und in der Leiharbeit gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Gegen den Widerstand der Regierungskoalition haben wir Mindestlöhne für 1,2 Millionen Beschäftigte durchgesetzt, in der Zeitarbeit, im Sicherheitsgewerbe und in der Weiterbildungsbranche. Das ist ein wichtiger erster Schritt für faire Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, dem weitere folgen müssen.

Der Hartz IV - Regelsatz steigt rückwirkend zum 1. Januar 2011 um 5 Euro. Außerdem gibt es neben der regulären Erhöhung um die gestiegenen Lebenshaltungskosten zum 1. Januar 2012 eine Sonderanpassung um weitere 3 Euro.

Außerdem haben wir in den Verhandlungen folgende Verbesserungen durchgesetzt:

Für Kinder: Wir haben das Bildungspaket kräftig ausgebaut. Wir haben durchgesetzt, dass auch 500.000 Kinder von Geringverdienerinnen und Geringverdienern zusätzlich am Bildungspaket teilhaben. Besonders wichtig war uns, dass an Schulen Sozialarbeiter eingestellt werden. Es stehen die Mittel bereit, 3.000 Sozialarbeiter einzustellen, die sich um Kinder und Jugendliche an Schulen in besonderen sozialen Brennpunkten kümmern. Bedürftige Kinder erhalten ein kostenloses Mittagessen in Schulen, Kitas und Horten.

Kommunen: Der Bund übernimmt ohne Vorbedingungen schrittweise bis 2014 die Kosten der Grundsicherung im Alter. Die Kommunen werden dadurch beginnend ab 2012 um 1,2 Milliarden Euro bis zur vollen Summe von 4 Milliarden Euro pro Jahr ab 2014 entlastet. Zusätzlich übernimmt der Bund die tatsächlichen Kosten des Bildungspaketes. Städtetag und Gemeindebund haben diesen Kompromiss ausdrücklich gelobt.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Oppermann