Frage an Thomas Oppermann von Viktoria W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Oppermann,
aufgrund der Tatsache, dass sie bereits längere Zeit im Bundestag sitzen und somit die Stammzellendebatte 2008 aktiv miterlebt haben, würde ich gerne Ihre Meinung zu dieser problematischen Debatte und auch zu der jetzig geltenden Regelung des Stichtags erfahren. Nach einer Unterrichtseinheit über die Stammzellenforschung im Religionsunterricht wurde mein Interesse geweckt und ich würde mich sehr über eine Antwort ihrerseits freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Viktoria K. Wandt
Sehr geehrte Frau Wandt,
vielen Dank für Ihr Interesse an der Stammzelldebatte aus dem Jahr 2008. Der Bundestag beschäftigte sich damals mit der Stichtagsregelung zur Verwendung embryonaler Stammzellen.
Der Deutsche Bundestag hatte im April 2002 das Stammzellgesetz (StZG) beschlossen. Ziel des Gesetzgebers war es, einen Ausgleich zwischen dem durch die Menschenwürde und das Lebensrecht gebotenen Embryonenschutz auf der einen und der Forschungsfreiheit, die im Falle der Stammzellforschung die Chance einer Heilung von bislang unheilbaren Krankheiten beinhaltet, auf der anderen Seite zu schaffen.
Das Stammzellgesetz verbietet grundsätzlich den Import und die Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen. In eng umgrenzten Fällen ist es jedoch der Forschung erlaubt, aus menschlichen Embryonen im Ausland gewonnene Stammzellen nach Deutschland zu importieren und zu verwenden.
Zu den Genehmigungsvoraussetzungen gehörte u.a., dass die menschlichen embryonalen Stammzellen in Übereinstimmung mit der Rechtslage im Herkunftsland dort vor dem 1. Januar 2002 (Stichtag) gewonnen wurden. Seit der Verabschiedung des Gesetzes hatte sich die Zahl der vor dem Stichtag hergestellten und für die Wissenschaft verfügbaren Zellen erheblich verringert. Dies hatte dazu geführt, dass immer weniger Zelllinien für die Forschung in der Bundesrepublik zur Verfügung standen.
Als weiteres elementares Problem hatte sich die Unklarheit über die mögliche Strafbarkeit der Beteiligung von deutschen Forschern an im Ausland durchgeführten Forschungsarbeiten an Stammzellen herausgestellt.
Diese beiden Punkte erforderten eine neue, breit und intensiv geführte Debatte über die Forschung mit embryonalen Stammzellen, an deren Ende dem Deutschen Bundestag am 14. Februar 2008 vier Gesetzesentwürfe zur Abstimmung vorlagen:
- Der erste und letztendlich beschlossene Entwurf forderte ein einmalige Verschiebung des Stichtags auf den 1. Mai 2007. Hierdurch bleibe der Schutzmechanismus des Stammzellgesetzes gewährleistet, es werde jedoch an neueste wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst. Außerdem bleibe gewährleistet, dass von Deutschland aus nicht die Gewinnung embryonaler Stammzellen oder die Erzeugung von Embryonen zu diesem Zweck veranlasst wird. Eine Klarstellung bezüglich des Anwendungsbereich des StZG auf das Inland beseitigt die Unsicherheit bei der Beteiligung an ausländischen Forschungsprojekten.
- Ein Alternativantrag plädierte für die gänzliche Abschaffung des Stichtages und damit für eine weitgehende Liberalisierung der Stammzellforschung. Damit entfiele auch die Strafbarkeit der Forscher im Zusammenhang mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit.
- Der dritte Vorschlag sprach sich für eine Beibehaltung des bisherigen Kompromisses aus. Der Entwurf befürwortete zudem die Straffreiheit von Forschern, die an ausländischen Forschungsvorhaben teilnehmen. Strafbar solle die Verwendung von Stammzellen nur sein, wenn diese sich im Inland befinden.
- Der letzte Antrag forderte wegen schwerwiegender ethischer Bedenken ein vollständiges Verbot der Forschung mit embryonalen Stammzellen. Dieses sollte auch für Zelllinien, die vor dem Stichtag am 1. Januar 2002 gewonnen wurden, gelten.
Meine Rede zur damaligen Debatte im Deutschen Bundestag finden Sie unter
folgendem Link:
http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/_v_f_514_de/od_player.html?singleton=true
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann