Frage an Thomas Oppermann von Ingo S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Oppermann,
zusammen mit mehr als 380 anderen Abgeordneten haben Sie am 18. Juni 2009 dem Zugangserschwerungsgesetz zur Einrichtug der Internetsperren zugestimmt. Inzwischen hat sich die Bundesregierung unter dem Druck der F.D.P. mit dem Bundespräsidenten darauf geeinigt, dieses Gesetz nicht auszufertigen. Wie können Bundesregierung und Bundespräsident beschließen, ein ordnungsgemäß zustande gekommenes Gesetz unter den Tisch fallen zu lassen? Nach Artikel 82 GG hat der Bundespräsident keinen Ermessensspielraum, und die Verabredung mit der Bundesregierung, ein zustande gekommenes Gesetz nicht auszufertigen, ist meiner Meinung nach eine vorsätzliche Verletzung des Grundgesetzes. Hier wird ein Präzedenzfall geschaffen, bei dem die Exekutive den erklärten Willen der Legislative grundgesetzwidrig ignoriert. Wie stehen sie dazu? Werden Sie sich dafür einsetzen, daß Herr Köhler nach Artikel 61 GG zur Rechenschaft gezogen wird?
Mit freundlichen Grüßen,
Ingo Schröder
Sehr geehrter Herr Schröder,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 10. März 2010. Es ist für uns ein zentrales Ziel, kinderpornografische Inhalte nachhaltig aus dem Netz zu entfernen. Es hat sich fraktionsbergreifend die Erkenntnis durchgesetzt, dass Internetsperren wenig effektiv, ungenau und technisch ohne großen Aufwand zu umgehen sind. Sie leisten somit keinen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der Kinderpornographie und schaffen zudem eine Infrastruktur, die von vielen zu Recht mit Sorge gesehen wird.
Das rechtliche und politische Wirrwarr innerhalb der Koalition um das Zugangserschwerungsgesetz muss ein Ende haben. Nachdem Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag in Bezug auf die Sperren eine faktische Aussetzung des Gesetzes für ein Jahr vereinbart haben, hat Bundespräsident Horst Köhler das Gesetz zwischenzeitlich unterzeichnet, so dass es in vollem Umfang in Kraft getreten ist. Aus diesen Gründen hat die SPD-Bundestagsfraktion am 25. Februar 2010 in erster Lesung einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, um das Zugangserschwerungsgesetz zügig aufzuheben. Mit diesem Gesetzentwurf soll das Zugangserschwerungsgesetz aufgehoben und somit Internetsperren die rechtliche Grundlage zu entzogen werden. Gleichzeitig wird mit diesem Gesetzentwurf die Aufhebung der BKA-Verträge eingefordert, durch die bereits die Sperrinfrastruktur weitgehend aufgebaut wurde.
Es ist richtig, statt auf Internetsperren konsequent auf das Prinzip "Löschen statt Sperren" zu setzen. Das Löschen ist in Deutschland bereits nach bisheriger Rechtslage auch ohne ein besonderes Gesetz unproblematisch möglich, geboten und gängige Praxis. Zu einer erfolgreichen Bekämpfung kinderpornografischer Inhalte im Netz gehören daneben eine Vielzahl von weiteren Maßnahmen, insbesondere eine bessere Ausstattung der Polizei und eine intensive internationale Zusammenarbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Oppermann