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Frage von Werner B. •

Frage an Thomas Mitsch von Werner B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Mitsch,

in Oberboihingen soll gentechnisch manipulierter Mais freigesetzt werden. Diese Gemeinde liegt in Ihrem Wahlkreis. Im Falle Ihrer Wahl würden Sie auch für die Bürger Oberboihingens Verantwortung tragen..

Seit der Aufhebung des EU-Moratoriums zur Agro-Gentechnik werden erstmals in Deutschland großflächig gentechnisch manipulierte Pflanzen
(GMO) angebaut.
Durch Pollenflug verbreitet sich unkontrolliert genmanipuliertes Erbgut. Es ist *nicht* *rückholbar *und niemand kann die Folgen der Agro-Gentechnik für Gesundheit, Ernährung und Natur abschätzen. Weltweit
gefährden Gentechnik-Konzerne Nahrungssicherheit und Saatgutfreiheit und zwingen Bauern und Bäuerinnen in immer größere Abhängigkeiten.
Die *Gentechnikindustrie versucht, unumkehrbare Fakten zu schaffen*. Skandalös ist beispielsweise die jahrelange Einfuhr von in Europa nicht zugelassenem BT 10 Mais nach Deutschland. Dieser Mais hat eine
zusätzliche genetische Resistenz gegen ein Antibiotikum, das auch bei der Behandlung von Menschen verwendet wird. Die verantwortliche Firma
Syngenta spricht derweil von einer harmlosen Verwechslung. Noch dreister sind die Lizenzforderungen der Industrie an Bauern, die
ihre Felder in der Nachbarschaft zu gentechnisch veränderten Pflanzen bewirtschaften. Durch Pollenflug und Windverteilung reifer Fruchtkörner bei der Ernte werden Nachbarfelder verunreinigt. Für diese
Verunreinigungen muss der Geschädigte auch noch Lizenzgebühren zahlen. Die Erfahrungen in Kanada, USA, Südamerika und Asien zeigen, dass selbst
großzügige Abstände zwischen den Feldern die schleichende Verschleppung der Gensaat nicht verhindern können. Eine Koexistenz zwischen Gentechnik und traditioneller Landwirtschaft, wie sie die Ernährung der Menschheit seit Jahrtausenden gewährleistet hat, ist nicht möglich.
Uns würde interessieren, wie Sie sich zum Anbau von gentechnisch manipulierten Maispflanzen in Oberboihingen stellen?
Mit freundlichem Gruß

Werner Beckman

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Antwort von
WASG

Sehr geehrter Herr Beckmann,

wollen die Bauern und Bäuerinnen in Baden-Württemberg, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, ihr eigenes Grab schaufeln? Die Firma Hipp hat neulich angekündigt, seine Rohstoffe für Babykost nur noch im Ausland zu kaufen, wenn der Bundestag den Anbau genmanipulierter Nahrungsmittel erlaubt. In Österreich haben sich sämtliche Handelskonzerne, auch die Aldi Tochter Hofer, und der Raiffeisenverband der Arbeitsgemeinschaft Gentechnikfrei (ARGE) angeschlossen. Sie alle und die konservative ÖVP wenden sich gegen den Anbau genmanipulierter Nahrungsmittel und werden solche Produkte weder kaufen noch vermarkten.

Das sollte den Baden-Württembergern zu denken geben.

Auch in den USA nimmt der Widerstand gegen gentechnisch veränderter Organismen (GVO) zu, weil viele Nahrungsmittelhersteller keine gentechnisch veränderte Produkte kaufen - sogar Mc Donald´ s verzichtet in seinen Big Mäc`s auf genmanipulierte Zusatzstoffe! Große finanzielle Einbußen sind die Folgen.

Eine Gruppe an der amerikanischen Ostküste, genannt "Der wütende Nordosten Amerikas gegen GVO" (genmanipulierte Organismen) kämpft für ein Verbot von GVO`s!

Eine Studie, die Bauern aus Vermont in Auftrag gaben, hat das "Aussterben der organischen Farmen" durch GVO-Verseuchung voraus gesagt. Das Fazit dieses Reports könnte für die ganze amerikanische Landwirtschaft stehen: »Vermonts Farmer riskieren, dass sie ihren Marktvorteil verlieren, wenn sich die Verseuchung mit GMO weiter ausbreitet.« (Die Zeit, 29.12.05)

Ich empfehle den Bauern und Bäuerinnen in Baden-Württemberg, sich mit ihren amerikanischen Kollegen in Verbindung zu setzen und sich deren Nöte und Erfahrungen mit dem Anbau gentechnisch veränderte Pflanzen an zu hören. Wahrscheinlich kommen sie dann zu dem Schluss, auf den Anbau zu verzichten und sich künftig lieber auf den organischen Anbau zu konzentrieren, der zunehmendes Wachstum verzeichnet - und auch viel gesünder ist. Die internationalen Forschungsergebnisse über den Verzehr genmanipulierter Nahrungsmittel sind jedenfalls sehr beunruhigend.

In der Öffentlichkeit wird weithin der Eindruck erweckt, dass genmanipulierte Pflanzen keinerlei Pestizide und/oder Insektizide benötigen, so dass die Umwelt geschont wird und der Anbau für die Bauern billiger wird. Das entspricht nicht der Tatsache.

"Eine Koexistenz verschiedener Anbauformen und damit verschiedenartig erzeugter Lebensmittel" ist nicht möglich, auch das beweisen etliche Studien. Warum ausgerechnet die Fachhochschule Nürtingen genmanipulierte Pflanzen auf der Gemarkung Oberboihingen und damit in der Nähe von Ballungszentren und den fruchtbaren Böden der Fildern freisetzen will, ist nicht nach vollziehbar!

Vor kurzem hat der Lutherische Weltbund (LWB) in Genf ein Positionspapier zu gentechnisch veränderten Pflanzen Nahrungsmitteln veröffentlicht, das grundsätzlich für den Verzicht auf genmanipulierte Organismen (GVO) plädiert. Stattdessen sollten "Nahrungsmittel in vielfältigen lokalen Produktionssystemen hergestellt werden, um Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität für alle Völker weltweit zu garantieren."

Laut LWB gefährden GVO`s in Brasilien die traditionelle Landwirtschaft. "In Brasilien ist der Konzern Monsanto dazu übergegangen, Nutzungsgebühren für genetisch verändertes Saatgut zu fordern." Bis vor einem Jahr sind große Mengen davon über Paraguay und Argentinien illegal nach Brasilien geschmuggelt worden. Als das gentechnisch veränderte Saatgut in Brasilien legalisiert wurde, mussten die Kleinbauern/Kleinbäuerinnen und Farmer/innen Nutzungsgebühren für dieses Saatgut bezahlen, denn durch die Patentierung der GVO`s können die Großkonzerne Nutzungsgebühren fordern. Dadurch wächst die Armut, denn insbes. Kleinbauern können diese Patent-Gebühren nicht bezahlen.

Als folgenreichstes Problem in der Nutzung von GVO bezeichnet der LWB übrigens "das Aussterben natürlicher Arten durch die Gen-Übertragung auf nicht gentechnisch veränderte Pflanzen".

Die EU-Kommission, die ein Vorreiter für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist, sollte verstärkt den organischen Anbau fördern anstatt einer bereits veralteten Technologie das Wort zu reden. Ewig Gestrige braucht Europa und Baden-Württemberg nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Mitsch