Frage an Thomas Lambeck von Markus S. bezüglich Wirtschaft
Hallo Herr Lambeck,
das Wahlprogramm Ihrer Partei spricht mir in vielen Bereichen aus der Seele. Der nachhaltig ökologische Aspekt gepaart mit einer sozialen und technisch-modernen Weltanschauung sind meiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg und gehen in eine sinnvolle Zukunft. Einige nicht ganz unwichtige Themen werden allerdings etwas großzügig ausgeblendet.
Wie haben Sie vor, Arbeitsplätze in der Region/im Land zu sichern, wie wollen Sie große Unternehmen, z.B. Automobil-Konzerne überzeugen, weiter im Land zu produzieren und nicht in Billiglohnländer abzuwandern?
Wie stehen Sie persönlich zu direkter Demokratie in Anbetracht der stimmungsmachenden Pressemacht und der Einflussbarkeit der Bevölkerung? (Wie hätten mit Volksabtimmungen Bahnprojekte wie die Strecke Stuttgart-Mannheim damals entstehen können?)
Was halten Sie davon, für Landtags- und Bundestagsabgeordnete alle Nebeneinkünfte und Nebenjobs zu untersagen um Interessenskonflikte zu vermeiden?
Wenn Frauen und Männer für dieselbe Arbeit auch gleiche Gehälter bekommen sollen, ist es Ihrer Meinung nach dann vertretbar, dass IT-Arbeit in der Metallbranche ein vielfaches höher belohnt wird als z.B. in der Nahrunsmittelindustrie? Gibt es hier Pläne?
Überzeugen Sie uns :-)
M.Schmidt
Hallo Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Unterstützung von Abgeordnetenwatch.
Sie stellen zu Recht fest, dass unser Wahlprogramm einige Themen nicht direkt anspricht. Das bedeutet nicht, dass wir diese Themen ausblenden. Wir haben allerdings für manche Fragen noch keine Lösung gefunden, die uns gut genug für unser Wahlprogramm erscheint. Die Regel, dass wir Piraten Programmpunkte nur dann vertreten, wenn wir sie wirklich für eine gute Lösung halten, gilt nach wie vor. Aber unser 50-seitiges Wahlprogramm ist auf jeden Fall bereits sehr viel umfangreicher als das Programm zur letzten Wahl. Doch nun zu Ihren Fragen.
Thema Arbeitsplätze
Beim Thema Arbeitsplatzerhalt ist für mich wichtig, dass die meisten Arbeitsplätze nicht in der Großindustrie sondern im Mittelstand entstehen. Gesetze und Förderprogramme sollten sich deshalb nicht nach Wünschen großer Konzerne richten. Diese drohen zwar oft mit dem Verlust Tausender Arbeitsplätze, vermelden aber nach Krisen auch sehr schnell wieder hohe Gewinne. Vermeintliche Probleme dieser Konzerne zum Beispiel mit Steuersenkungen zu bekämpfen bedeutet in der Regel nur Verlagerung von Kosten an eine andere Stelle, weil sich fehlende Steuereinnahmen natürlich an anderer Stelle negativ auswirken.
In Zukunft zu fördern sind aber etwa umweltfreundliche Energietechnik und regionale Wirtschaftskreisläufe, wie wir dies in unser Wahlprogramm aufgenommen haben.
Ganz allgemein ist ein gutes Bildungsniveau wichtigste Voraussetzung für die Sicherung von Arbeitsplätzen. Nicht zuletzt deshalb kamen in der Vergangenheit Firmen nach einigen Jahren "Auslandserfahrung" wieder nach Deutschland zurück. Die Studien der OSZE zeigen aber seit Jahren, dass Bildung bei uns stark vom Einkommen der Eltern abhängt. Das wollen wir ändern. Vorschläge dazu machen wir in unserem Wahlprogramm.
Thema Volksabstimmungen
Zum Kritikpunkt der Beeinflussung durch die Medien möchte ich anmerken, dass wir hier in Deutschland auch ohne Volksabstimmungen regelmäßig medial beeinflusst werden. Nämlich bei jedem Wahlkampf. Der einzige Unterschied ist, dass wir uns mit unserer Entscheidung nicht zu einer speziellen Frage sondern gleich für die nächsten Jahre als Ganzes festlegen.
Meiner Meinung nach ist die Gefahr einer Manipulation hierbei sogar größer, weil Menschen verleitet werden, sich nur alle paar Jahre mal wieder Gedanken über die zukünftige Politik zu machen. Als Beispiel möchte ich hier Steuersenkungen nennen, welche bei der letzten Bundestagswahl wohl das wahlentscheidende Thema waren obwohl jeder hätte erkennen können, dass diese in der zu dem Zeitpunkt akuten Finanzkrise keinesfalls durchsetzbar waren.
Wie können umstrittene Projekte durchgesetzt werden?
Die Frage ist meiner Meinung nach einfach zu beantworten. Man muss mit offenen Karten spielen und die Menschen vor einer Entscheidung wirklich ernsthaft über Pro und Contra informieren. Wenn der Mehrzahl der Menschen in den Medien nur Lobreden geliefert werden, kommt es zwangsläufig zu Spekulationen, was wohl die (verschwiegenen) Nachteile sein mögen. Dann entsteht fast unausweichlich starke Ablehnung - Menschen sind ja nicht dumm, nur weil sie nicht mitreden dürfen.
In der Schweiz beispielsweise wurden bei Volksabstimmungen schon Entscheidungen (Beispiel: Erhöhung der Mehrwertsteuer) befürwortet, die in Deutschland "unvorstellbar" scheinen. Dafür wurden eben in der Öffentlichkeit Pro und Contra gleichberechtigt diskutiert. Für die Presse bedeutet das, beide Seiten darstellen zu müssen und die eigene Meinung als solche zu kennzeichnen. So weit ich weiß, wird dies in der Schweiz genau so gehandhabt.
Politische Beeinflussung der Medien muss natürlich so gut wie möglich verhindert werden. Leider ist es bei uns so, dass Mitglieder der Verwaltungs- und Rundfunkräte von Medienanstalten oft zu großen Teilen von der jeweiligen Landesregierung gestellt werden. Wir Piraten haben uns in unserem Wahlprogramm klar dagegen positioniert, diesen Einfluss länger zu dulden.
Nebeneinkünfte von Abgeordneten
Ein komplettes Verbot sehe ich auch nach langem Überlegen noch kritisch,
weil ich folgende Effekte befürchte:
1. Es wird möglicherweise genau die Menschen von Politik fernhalten, die wir eigentlich dort haben wollen. Nämlich Menschen, die in irgendeinem Bereich wirklich gut sind, den Anschluss aber nicht verlieren wollen.
2. Wer alle sonstigen Einkommensquellen aufgeben muss, um sein Mandat wahrzunehmen, wird sich eher an sein (durchaus gut bezahltes) Mandat klammern. Der- oder diejenige wird gerade bei Listenplätzen eher Fraktionsdisziplin zeigen als eine vielleicht abweichende Meinung zu vertreten, was Abgeordnete ja gerade nicht tun sollten.
Klar ist allerdings die Forderung, dass Abgeordnete alle Nebeneinkünfte einzeln und in vollem Umfang offenlegen müssen. Das bedeutet zum Beispiel, die Kategorien abzuschaffen, welche bisher die tatsächliche Höhe von Nebeneinkünften verschleiern.
Außerdem setzen wir uns für eine Ethikkommission ein, die während einer mindestens dreijährigen Karenzzeit nach dem Ende der Amtszeit über themenverwandte Tätigkeiten von ehemaligen Amtsträgern entscheidet.
Gleiche Gehälter in allen Branchen
Ihre Frage mit "Ja" zu beantworten würde bedeuten, Löhne und Gehälter staatlich zu regulieren. Das haben wir nicht vor. Für die Bezahlung spielen neben der Art der Tätigkeit auch zu viele Dinge eine Rolle. Beispielsweise getragene Verantwortung oder Stressbelastung, die trotz gleicher Tätigkeit von Branche zu Branche unterschiedlich sein kann.
Am anderen Ende der "Skala" würde ich persönlich aber einen existenzsichernden Mindestlohn befürworten. Das Ausmaß der sogenannten "prekären Beschäftigung" in Deutschland zeigt, dass der Markt hier nicht mehr funktioniert.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Lambeck