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Thomas Kutschaty
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Frage von Ingo M. K. •

Hallo guten Tag Herr Kutschaty, was würden sie gegen die Jugendkriminalität unternehmen? Was halten sie von der "Haus des Jugendrechts" Strategie?

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Sehr geehrter Herr K.

der Anteil jugendlicher und heranwachsender Straftäterinnen und Straftäter ist in den zurückliegenden Jahren insgesamt deutlich zurückgegangen. So betrug der Rückgang der Tatverdächtigen unter 21 Jahre zwischen 2010 und 2019 rund 25 Prozent. Mit diesem Rückgang bei der Jugendkriminalität ging auch eine deutliche Verringerung der Inhaftierten im Jugendstrafvollzug einher. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass es sich bei der Jugendkriminalität überwiegend um leichte Kriminalität (Ladendiebstahl, Schwarzfahren) handelt. Fälle von schweren Straftaten erfahren allerdings in den Medien oftmals eine große Aufmerksamkeit, so dass manchmal auch ein falsches Bild hinsichtlich der Entwicklung im Bereich der Jugendkriminalität entstehen kann.

Allerdings gibt es unterschiedliche Entwicklungen im Hinblick auf die Deliktsarten. Die Anzahl der unter 21-jährigen Tatverdächtigen der jugendtypischen Delikte Diebstahl, Sachbeschädigung, Rauschgiftkriminalität und Erschleichen von Leistungen ist rückläufig. Insbesondere bei den Internetdelikten oder bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zeigten sich jedoch in letzter Zeit deutliche Anstiege bei den jugendlichen Tatverdächtigen. Im Fall der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hat dies sicherlich auch mit einer größer gewordenen gesellschaftlichen Sensibilisierung für solche Taten zu tun.

Eine Herausforderung liegt im Umgang mit sogenannten jugendlichen Intensivtätern. Die Gruppe der Intensivtäter ist zwar klein, doch begeht sie mehr als die Hälfte aller Delikte und über drei Viertel aller Gewaltdelikte ihrer jeweiligen Altersgruppe. Deshalb muss auf dieser Gruppe ein besonderer Fokus im Hinblick auf Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Jugendkriminalität liegen. So vielfältig und komplex wie die Verlaufsbilder der Jugenddelinquenz sind, so vielfältig muss auch das Angebot zur Verhinderung und Bekämpfung von Jugenddelinquenz sein. Im Vordergrund muss dabei immer der Erziehungsgedanke als „Motor“ des Jugendstrafrechts stehen. Mit Blick auf die vielen Opfer und die enormen sozialen Folgekosten, die eine Intensivtäterin bzw. ein  Intensivtäter verursacht, muss zudem die Intervention frühestmöglich erfolgen - und zwar bevor die „Karriere“ als Straftäterin oder Straftäter noch stärker Fahrt aufnimmt.

In diesem Zusammenhang unterstütze ich seit jeher die Einrichtung und den weiteren Ausbau von „Häusern des Jugendrechts“. Dort arbeiten die am Ermittlungsverfahren beteiligten Akteure - die Jugendgerichtshilfe, die Staatsanwaltschaft und die Polizei - unter einem Dach zusammen. Sie befassen sich mit jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen, die mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten sind und denen eine beginnende oder sich verfestigende kriminelle Zukunft vorausgesagt wird. Die Zusammenarbeit unter einem Dach fördert die direkte Kommunikation und führt damit zu Beschleunigungseffekten. Akten werden nicht zeitraubend per Post hin- und hergeschickt. Wenn der Strafverfolger wissen will, wie weit die Polizei mit ihren Ermittlungen gegen einen jungen Intensivtäter ist, kann er schnell und unkompliziert nachfragen. In Fallkonferenzen wird beraten, welche Maßnahmen ihn zurück in ein Leben außerhalb der Kriminalität führen können. Durch die zeitnah erfolgenden und passgenaueren Reaktionen auf Straftaten Jugendlicher sind die „Häuser des Jugendrechts“ ein Erfolgsmodell und helfen, die Rückfallquote der jugendlichen Straftäter und Straftäterinnen erheblich zu reduzieren.  

Ein weiterer wichtiger Ansatz besteht darüber hinaus in dem 2011 gestarteten Präventionsprogramm „Kurve kriegen“, das zum Ziel hat, die Entwicklung besonders kriminalitätsgefährdeter Kinder und junger Jugendlicher zu Intensivtäterinnen und Intensivtätern frühestmöglich zu erkennen und zu verhindern. „Kurve kriegen“ wurde hinsichtlich seiner Wirkung und der Kosten-Nutzen-Relation wissenschaftlich untersucht. 40 Prozent der Absolventinnen und Absolventen haben demnach keine Straftaten mehr begangen, bei den übrigen wurde eine Reduktion der Kriminalität um 50 bis 75 Prozent erreicht. Auch das ist ein überzeugender Beleg für den Erfolg einer klugen und durchdachten Präventionspolitik. Ich möchte sie fortsetzen, da sie einerseits hilft Kriminalität zu verringern und weitere Opfer zu vermeiden, andererseits auf Abwege geratenen Jugendlichen die Chance gibt, ihr Leben neu zu ordnen und in geregelte Bahnen zu führen.   

 

Mit freundlichen Grüßen 

Thomas Kutschaty

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