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Thomas Kossendey
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Frage von Hans-Rudolf R. •

Frage an Thomas Kossendey von Hans-Rudolf R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kossendey,

mich regt schon seit längerem der Begriff "Fraktionszwang" auf.

Wenn durch die Partei, im Rahmen des Fraktionszwanges, ein so erheblicher Druck auf Abgeordnete ausgeübt werden kann, dass sogar schon mit einem Parteiausschlußverfahren gedroht wird, wenn man nicht im Sinne der Fraktion abstimmt, so ist das meiner Ansicht nach gegen das Grundgesetz. Wo bleibt denn da die Unabhängigkeit der Abgeordneten ?

Im Umkehrschluß kann ich dann auch ketzerisch behaupten - wir sparen uns den Bundestag und lassen nur die Fraktionsvorsitzenden abstimmen. Dies würde uns - dem Volk - viel Geld sparen.

Ist der Fraktionszwang grundgesetzwidrig ?

Mich würde Ihre Meinung dazu interessieren.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Rudolf Reinecke, Dipl.-Ing.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Reinecke,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema „Fraktionszwang“.

In der Tat widerspräche die Ausübung des Fraktionszwangs auf einen Abgeordneten - d.h. die Nichtberücksichtigung bei der Vergabe von Parlamentsämtern oder die Androhung des Fraktionssausschlusses, um eine Abstimmung im Sinne der Fraktion zu erreichen - dem Grundsatz des freien Mandats und damit unserem Grundgesetz. Hier heißt es in Art. 38 Abs. 1 GG: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Genau aus diesem Grund gibt es auch keinen Fraktionszwang in Deutschland.

Was es jedoch gibt und was häufig - zu Unrecht - mit Fraktionszwang gleichgesetzt wird, ist die sogenannte Fraktionsdisziplin. Darunter verstehe ich die weitgehende Einhaltung der Beschlüsse, welche die Mehrheit einer Fraktion getroffen hat.

Meiner Meinung nach ist daran prinzipiell nichts auszusetzen. Ein solches Vorgehen ist sogar notwendig, um handlungsfähig zu bleiben und ausgewogene Entscheidungen zu treffen. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass in unserer Demokratie Beschlüsse häufig das Ergebnis intensiver und mühsamer Verhandlungen mit dem jeweiligen Koalitionspartner sind, an deren Ende ein Kompromiss steht. Auch wenn der einzelne Abgeordnete sich vielleicht nicht mit allen Details eines solchen Kompromisses identifizieren kann, so ist es dennoch notwendig, dass er von der Mehrheit mitgetragen wird, weil sonst die Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit einer Regierung nicht gewährleistet werden kann. Darüber hinaus sind die Fraktionen des Deutschen Bundestages arbeitsteilig organisiert, d.h. es gibt Experten für verschiedene Themen, die den anderen Mitgliedern der Fraktion berichten und Entscheidungsempfehlungen geben. In der Regel handelt es sich um sehr komplizierte und vielschichtige Fragen, die nicht oberflächlich beantwortet werden können und dürfen. Aus diesem Grund ist eine solche Einteilung sinnvoll, und der Abgeordnete kann sich darauf verlassen, dass die Empfehlung aufgrund fundierter Argumente von Experten ausgesprochen wird. Auch darf nicht vergessen werden, dass der Wähler nicht nur Personen, sondern auch Parteiprogramme und somit Grundziele und Politikvorstellungen wählt, die es hinterher umzusetzen gilt. Auch dies geht nicht ohne Mehrheiten.

Dies ändert aber nichts daran, dass jeder Abgeordnete grundsätzlich frei in seinen Entscheidungen und eben weder an eine Fraktionslinie noch an Weisungen aus seinem Wahlkreis gebunden ist. Die Tatsache, dass es bei vielen Abstimmungen Abgeordnete gibt, die nicht im Sinne ihrer Fraktion abstimmen, zeigt auch, dass dies nach wie vor gelebte Tradition in Deutschland ist.

Ich hoffe, Ihre Frage damit hinreichend beantwortet zu haben.

Mit freundlichem Gruß
Thomas Kossendey