Frage an Thomas Kossendey von Andreas M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Kossendey,
sie haben kürzlich gegen den o. a. Antrag der Grünen gestimmt, obwohl ich der Ansicht war, dass es auch in der CDU Vorbehalte gegen eine Privatisierung des "Wassermarktes" in Deutschland gibt. Meines Wissen stützte sich der Antrag der Grünen in der Formulierung gar auf einen Beschluss des letzten CDU-Bundesparteitags. Politisch kann ich das Ergebnis der Abstimmung natürlich verstehen, aber bei solchen Dingen wie der Wasserversorgung hat ein Fraktionszwang meines Erachtens seine moralischen Grenzen. Im Übringen platzt mir inzwischen regelmäßig der Kragen hinsichtlich der Haltung von CDU/CSU und FDP in Entscheidungen zu Verbraucherfragen. Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass eine Privatisierung der Wasserversorgung im Sinne der Verbraucher ist. Falls doch, sollten Sie sich mal die Dokumentation "Bottled Life" ansehen. Dann verstehen auch Sie, dass eine Privatisierung des Wassermarktes dazu führen wird, dass Unternehmen wie Nestle unser Leben in Flaschen abfüllen werden.
Können Sie mir bitte Ihr Abstimmungsverhalten bzw. Ihre Haltung zu diesem Thema erläutern?
Danke & Gruß, A. Mellies
Sehr geehrter Herr Mellies,
viele Dank für die Zusendung Ihrer Fragestellung über abgeordnetenwatch.de.
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und ich persönlich sprechen sich ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus.
Der Antrag von Bündnis90/Die Grünen, den Sie in Ihrem Schreiben erwähnen, war von der Sache her überflüssig und lediglich ein Schauantrag im Parlamentsgeschehen. Dieses Spiel war ich persönlich nicht bereit mitzuspielen.
Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel.
Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus meiner Sicht evident.
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessions-Richtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt.
Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallenzulassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten (z.B. der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung) betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80% seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt.
Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden.
Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigt werden. Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer Verantwortung.
Ich empfehle Ihnen noch das Protokoll der von Ihnen angesprochenen Plenardebatte vom 28. Februar 2013 Nr. 17/225 mit anschließender Abstimmung ( http://suche.bundestag.de/plenarprotokolle/search.form ),
damit Sie einen Überblick über den aktuellen Sachstand gewinnen können.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Kossendey, MdB