Frage an Thomas Kossendey von Monika H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Kossendey,
die Regierungskoalition plant unter dem Titel "Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt" massive Verschlechterungen des Gründungszuschusses.
Sowohl in meiner beruflichen Tätigkeit, in der ich unter anderem auch Existenzgründerinnen und –gründer berate, als auch in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die Personengruppe Selbstständige in der Gewerkschaft ver.di und aus meinen persönlichen Gründungserfahrungen habe ich den Gründungszuschuss als ein notwendiges und sinnvolles Instrument für die Unterstützung von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit kennengelernt.
Eine Reihe von Selbstständigen, die zu ihrer Gründung den Gründungszuschuss in Anspruch genommen haben, belegen mit ihren Erfahrungen die Notwendigkeit dieses Instruments. Mittlerweile hat sich der Bundesrat gegen die von der Regierungskoalition beabsichtigten Kürzungen des Gründungszuschusses ausgesprochen, weil sich das Instrument auch aus seiner Sicht bewährt hat.
Und selbst das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hat in seiner jüngsten Studie „Die Praxis des Gründungszuschusses“ festgestellt, dass der Gründungszuschuss sowohl sinnvoll als auch wirksam und in der Handhabung als positiv eingeschätzt wird.
Aus meiner Sicht sind das Gründe genug dafür, dass die Regierungskoalition von ihren Kürzungsvorhaben Abstand nimmt. Bitte unterstützen Sie das Anliegen vieler Selbstständiger und auch zukünftig Selbstständiger, die als Kleinst-Unternehmen keine Lobby in unseren wirtschaftspolitischen Zusammenhängen haben: Setzen Sie sich in Ihrer Fraktion und in der Regierungskoalition bis zur 2. und 3. Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag am 23. September 2011 für eine Abkehr vom Gesetzesvorhaben ein, setzen Sie sich dafür ein, dass der Gründungszuschuss unangetastet bleibt.
Ich bin gespannt darauf, wie Sie sich zum Gesetzesvorhaben positionieren und ob Sie mir antworten.
Freundliche Grüße
Monika Hartmann-Bischoff
Sehr geehrte Frau Hartmann-Bischoff,
für Ihren Anfrage vom 19. August zu dem von der Bundesregierung am 25. Mai 2011 beschlossenen Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt bedanke ich mich. Ihre Kritik insbesondere zur Neujustierung des Gründungszuschusses habe ich aufmerksam gelesen.
Nach der Jobcenter-Reform und der Leistungsrechtsreform im Bereich des SGB II und SGB XII ist dies das dritte arbeitsmarktpolitische große Reformvorhaben dieser Regierung. Das Gesetz wurde am 01. Juli 2011 in erster Lesung im Deutschen Bundestag beraten und ist jetzt zuständigerweise in den Ausschuss Arbeit und Soziales überwiesen worden. Dort wird am 5. September die Anhörung der Sachverständigen stattfinden, die zweite und dritte Lesung ist für Ende September geplant.
Bei dem geplanten Gesetz geht es um einen effektiven und effizienten Einsatz der Arbeitsmarktinstrumente im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel, die Beschleunigung der Integration in den ersten Arbeitsmarkt, die Neuordnung der öffentlich geförderten Beschäftigung, um Beschäftigungsfähigkeit und gesellschaftliche Teilhabe dort zu stabilisieren, wo ein unmittelbarer Übergang in ungeförderte Beschäftigung nicht möglich ist und effektive dezentrale Entscheidungskompetenzen für den Einsatz der Instrumente der aktiven Arbeitsförderung.
Bitte beachten Sie, dass die Reform einerseits in Zeiten der Haushaltskonsolidierung stattfindet, anderseits aber auch in dem sehr freundlichen Umfeld des Arbeitsmarktes. Nach der Bewältigung der Krise haben wir in Deutschland ein echtes Jobwunder, das bereits seit vielen Monaten sehr kontinuierlich und nachhaltig wirkt. Nicht nur an Fachkräften mangelt es, sondern z.B. im Bereich der Pflege und auf dem Bau werden auch weniger Qualifizierte sowie Auszubildende dringend gesucht.
Gegenüber den damals 6,8 Mio. Menschen im Hartz IV-Bezug im Juni 2006 hat sich heute, im Juni 2011 bundesweit ein Rückgang um 13,2 % ergeben. Gerade in den letzten Monaten hat sich der Rückgang Monat für Monat im Vergleich zu den Vorjahresmonaten kontinuierlich bei über 5% eingependelt. Die Zahl der Hartz IV-Empfänger dürfte zukünftig auch demografiebedingt rückläufig sein.
Insgesamt bietet die nun vorliegende Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente eine gute Basis, um die Integration auf den Arbeitsmarkt zu beschleunigen und zu verbessern. Sie ermöglicht mehr Flexibilität und Effizienz. Sie schafft mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort. Die Notwendigkeit der Reform ergibt sich nicht in erster Linie aus Sparzwängen, sondern auch aus der Auswertung der Evaluation zu den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten. Denn die Prüfung hat ergeben, dass bislang nicht alle vorhandenen Arbeitsmarktinstrumente den gewünschten Erfolg hatten. Auch mit dieser Reform wird allerdings den einzelnen Arbeitslosen ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Mittel für die Eingliederungstitel in den Krisenjahren 2009-2010 stark ausgeweitet wurden. Nachdem sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt deutlich entspannt, dürfte auch nachvollziehbar sein, dass die Mittel nach und nach auf das Vorkrisenniveau zurück gefahren werden.
Mir ist durchaus bewusst, dass die Reform nicht von überall Beifall erhält; Kritik kommt interessengeleitet naturgemäß von denen, die befürchten, dass bei ihnen gespart wird. Die zuständigen Fachpolitiker haben mir aber versichert, dass sie sich auch weiterhin mit den Argumenten auseinandersetzen und die einzelnen Stellschrauben nochmals genauer betrachten werden.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Kossendey