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Thomas Kossendey
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Frage von Mathias F. •

Frage an Thomas Kossendey von Mathias F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kossendey,

im Jahr 2007 stellt die Abgeordnete Pilz (FDP) eine Anfrage an die Bundesregierung (Drucksache 16/5684) zur Untersuchung von Männern durch weibliches medizinisches Personal bei der BW. In Ihrer Antwort vom 7. 6. 2007 gehen Sie mit keinem Wort auf die Frage nach dem med. Personal (also auch Assistenz wie SansoldatInnen) ein. Sie erwähnen nur beständig die Geschlechtsneutralität von ÄrztInnen. Als Jurist blenden Sie den Artikel 1 des GG vollständig aus und gehen mit keinem Wort auf die Persönlichkeitsrechte insbesondere bei staatlichen Zwangsuntersuchungen ein. Auch behaupten Sie, im Zivilbereich würde ebenso verfahren. Die Unkenntnis der ethischen Richtlinien für die Psychiatrie kann man ggf. noch glauben, § 81d der Strafprozessordnung sollte Ihnen jedoch auf jeden Fall bekannt sein. Ebenso ist Ihnen bekannt, dass bei den freiwilligen Damen und auch bei männlichen Offiziersbewerbern andersgeschlechtliches Assistenzpersonal grundsätzlich von den ärztlichen Untersuchungen ausgeschlossen ist. Wehrpflichtige wurden hingegen in den letzten Jahren sowohl in den KWEA als auch in den Kasernen regelrecht vor weiblicher Assistenz nackt vorgeführt. Mittlerweile haben sich auch Männer darüber beim Wehrbeauftragten beschwert. Im November 2009 wurde auf der Tagung der leitenden Musterungsärzte der Sanitätsakademie der BW in München jedoch noch die mündliche Anweisung erteilt, die Männer grundsätzlich ohne Sichtschutz vor der (w) Assistenz zu untersuchen. Ich bin selbstverständlich in Rechtsfragen nicht so bewandert wie Sie. Allerdings sehe ich hier durch die absolute Ungleichbehandlung von freiwilligen Damen und Wehrpflichtigen hinsichtlich der Wahrung der Persönlichkeitsrechte vor dem jeweils anderen Geschlecht einen deutlichen Verstoß gegen Artikel 1 und 12 des GG, sowie gegen das AGG und das SGleiG. Gedenken Sie als einer der Hauptverantwortlichen für diese Zustände hier entsprechend tätig zu werden?

Mit freundlichen Grüßen

Mathias Frost

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Frost,

Ihre E-Mail vom 19. Juli 2010 ist bei mir eingegangen. Hierzu teile ich Ihnen mit:

Grundsätzlich besteht im Wehrersatzwesen und in der Nachwuchsgewinnungsorganisation kein Anspruch auf eine Untersuchung durch einen Arzt gleichen Geschlechts, da Ärzte in ihrer Funktion allgemein als neutrale Amtspersonen anzusehen sind. Folglich besteht mithin auch kein subjektiv öffentliches Recht der untersuchten Person darauf, dass auch das nicht die Untersuchung durchführende Hilfspersonal ausschließlich dem gleichen Geschlecht wie der Untersuchte angehört. Dies folgt zum einen daraus, dass allein die körperliche Untersuchung selbst im Einzelfall einen Eingriff in die Grundrechte des Untersuchten darstellen kann. Die reine, zur Durchführung der jeweiligen Untersuchung erforderliche Anwesenheit von medizinischem Assistenzpersonals bei derselben, vermag diese Eingriffsschwelle hingegen nicht zu überschreiten. Ein regelrechtes, wie von Ihnen behauptet, Vorführen der nackten zu Untersuchenden vor weiblicher Assistenz entspricht nicht den Tatsachen, sondern widerspricht vielmehr den einschlägigen Weisungen des Wehrersatzwesens, die ein Betreten der Untersuchungsräume durch nicht an der Untersuchung beteiligtes Personal verhindern.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 81d StPO, der zwar für die Untersuchungen im Wehrersatzwesen nicht anwendbar ist, jedoch ausdrücklich die Vornahme einer Untersuchung, die das Schamgefühl verletzen könnte, durch eine Person gleichen Geschlechts oder durch einen Arzt für zulässig erklärt, mithin auf die die Untersuchung durchführende Person abstellt, die, soweit sie ein Arzt ist, nicht zwingend dem gleichen Geschlecht zugehören muss. Ausschließlich bei einem berechtigten Interesse soll nach § 81d Abs. 1 Satz 2 StPO dem Wunsch entsprochen werden, die Untersuchung einer Person oder einem Arzt bestimmten Geschlechts zu übertragen. Dieses Wahlrecht erklärt sich jedoch alleine aufgrund der Besonderheiten der strafprozessualen Untersuchung, die grundsätzlich nur aufgrund einer vorangegangenen Straftat zulässig ist. Damit soll dem Bedürfnis derjenigen Personen Rechnung getragen werden, die z.B. als Opfer eines vorangegangenen Missbrauchs eine Untersuchung durch eine Person eines bestimmten Geschlechts als weniger schamverletztend betrachten.

Diese Erwägungen sind hingegen auf die Verpflichtung aus § 17 Abs. 4 WPflG, sich im Rahmen der Musterung nach dem Wehrpflichtgesetz auf geistige und körperliche Tauglichkeit eingehend ärztlich untersuchen zu lassen, regelmäßig nicht übertragbar, da eine der besonderen psychologischen, durch vorangegangene Straftaten bedingte, vergleichbare persönliche Ausnahmesituation bei Musterungen nicht vorliegt. Dennoch gilt auch bei Musterungen der Grundsatz, dass die Bitte nach gleichgeschlechtlichem medizinischen Assistenzpersonals erfüllt werden soll, wenn dies unproblematisch möglich ist. Ein Bereithalten zusätzlicher Kapazitäten, um jedem zu untersuchenden Menschen die Wahl zwischen medizinischem Assistenzpersonals gleichen oder anderen Geschlechts zu ermöglichen, wäre hingegen nicht verhältnismäßig. Der Einzelne hat die Einschränkung seines Persönlichkeitsrechts daher zugunsten der Allgemeinheit hinzunehmen, insbesondere vor dem Hintergrund der oben erläuterten qualifikationsbedingten Neutralität des Arztes.

Diese Ausnahmesituation ist jedoch nicht nur in der Bundeswehr, sondern in vielen Bereichen des zivilen Gesundheitswesens zu finden. So besteht z.B. auch bei arbeitsmedizinischen Untersuchungen im Rahmen des Arbeitssicherheitsgesetzes, bei vertrauensärztlichen Untersuchungen im Rahmen der Rentenbegutachtung oder bei amtsärztlichen Untersuchungen grundsätzlich kein subjektiv öffentliches Recht des Begutachteten auf Anwesenheit ausschließlich gleichgeschlechtlichen medizinischen Assistenzpersonals. Der Gesetzgeber hat selbst eindeutig klargestellt, dass er selbst die - auch zwangsweise bestimmte - körperliche Untersuchung einer Person durch einen andersgeschlechtlichen Arzt nicht als unvereinbar mit der Menschenwürde und dem Schamgefühl ansieht, sodass ein Eingriff in diese Rechte nur durch die reine Anwesenheit des medizinischen Assistenzpersonals nicht erkennbar ist. Nachteile entstehen den untersuchten Personen dadurch nicht.

Mit freundlichem Gruß,

Thomas Kossendey