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Thomas Jarzombek
CDU
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Frage von Andreas H. •

Frage an Thomas Jarzombek von Andreas H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Jarzombek,

je mehr ich von diesem Fiskalpakt und dem ESM lese, destso mehr Angst habe ich.
Können Sie mir bitte die demokratische Legetimierung der EU-Kommission und des Gerichtshofs in Luxemburg für die Haushalte der Mitgliedsstaaten und insbesondere für den Haushalt Deutschlands erklären? Leider habe ich nicht verstanden, wie wir als Bürger Einfluss auf die Kommission oder den Gerichtshof ausüben können, bzw. wie wir Bürger die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen können. Abgeordnete wie Sie können die Bürger abwählen, wenn Sie keine gute Arbeit leisten, aber was machen die Bürger bei "Schlechtleistung" der EU-Kommission in Haushaltsfragen?

Ich verstehe den Fiskalpakt als Abgabe unserer Souveränität an eine demokratisch nicht legitimierte Institution für alle Ewigkeit. Bedarf es bei einer solchen Übertragung von Macht nicht mindestens einer Volksabstimmung?

Ich hoffe, dass Sie mit der Beantwortung meiner Fragen etwas Licht in die Sache bringen können.

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Hartmann

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CDU

Sehr geehrter Herr Hartmann,

vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.

Im Kern Ihrer Frage sprechen Sie ein äußerst wichtiges und viel diskutiertes Problem der Europäischen Union an: das Demokratiedefizit einzelner europäischer Institutionen. Bei wichtigen politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene ist tatsächlich zu hinterfragen, inwieweit diese demokratisch legitimiert sind. Dieses Problem wird dabei sowohl von juristischer Seite als auch von den höchsten politischen Entscheidungsträgern anerkannt und diskutiert. So sah z.B. das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 zum Vertrag von Lissabon die extensive Kompetenzauslegung von EU-Organen kritisch und sprach gleichzeitig dem Europäischen Parlament aufgrund der zur Bevölkerungsgröße der Länder nicht proportional zustande gekommenen Sitzverhältnisse die „Fähigkeit zur einheitlichen Repräsentation des Volkswillens“ ab. Außerdem forderte beispielsweise unser Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble die Direktwahl des Präsidenten des Europäischen Rates durch die Staatsangehörigen aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Andere Stimmen fordern eine weitere Stärkung bzw. Ausdehnung der Rechte des Europäischen Parlaments, das seit 1979 von den Bürgern der EU direkt gewählt wird und somit demokratische Legitimation besitzt. Es hat jedoch nicht in allen Politikbereichen volles Mitwirkungsrecht und ihm fehlt das Initiativrecht bei der Gesetzgebung. Dieses liegt allein bei der Kommission, welche wiederum vom Parlament nicht gewählt, sondern nur bestätigt oder abgelehnt werden kann. Das Europäische Parlament hat folglich nur indirekt Einfluss auf die Arbeit der Kommission. Es gibt daher Stimmen, die die Etablierung eines Zwei-Kammer-Systems – ähnlich dem System mit Bundestag und Bundesrat in Deutschland – fordern. Des Weiteren solle die Europäische Kommission vom Parlament gewählt werden und die Wahl des Parlaments nicht nach nationalen Sitzkontingenten, sondern stattdessen anhand europaweiter Parteilisten durchgeführt werden.

Alle diese Vorschläge würden sicherlich zu einer größeren Legitimität und zu einem Vertrauensgewinn der EU-Bevölkerung in die Europäischen Institutionen führen. Überlegungen in diese Richtung begrüße ich daher ausdrücklich. Denn auch ich bin der Auffassung, dass es ein „Mehr“ an Demokratie in der EU braucht. Letztlich ist ein solcher Prozess, der tiefgreifende Veränderungen des gesamten europäischen Systems mit sich bringen würde, jedoch von Natur aus meistens sehr zeitaufwendig und schwierig zu realisieren. Meiner Ansicht nach ist eine Frage dabei vor allem zu klären: Wen muss der Bürger abwählen können, wenn er eine Politikänderung möchte?

Allerdings hat es in den letzten Jahren auch einige Fortschritte gegeben. Durch den Vertrag von Lissabon 2007 wurden die Kompetenzen des Europäischen Parlaments deutlich gestärkt. Seitdem gilt in den meisten Politikfeldern das sogenannte „ordentliche Gesetzgebungsverfahren“, bei dem das Parlament und der Rat der EU gleichberechtigt sind. Außerdem entscheiden das Parlament und der Ministerrat gemeinsam über Haushaltsfragen. Das Parlament als demokratisch legitimiertes Organ hat also volle Mitbestimmungsrechte über den gesamten EU-Etat. Des Weiteren kontrolliert das Parlament die Kommission und den Rat und kann durch ein Misstrauensvotum den Rücktritt der Kommission erzwingen. Sie als einzelner Bürger können tatsächlich – wie übrigens auf nationaler Ebene auch – die Verantwortlichen nicht direkt zur Rechenschaft ziehen. Doch kann dies über den Umweg des demokratisch legitimierten Parlaments, dem Bundestag in Berlin auf nationaler Ebene oder dem Europäischen Parlament auf europäischer Ebene, geschehen.

Die Legitimität der EU-Kommission zweifeln Sie begründet an. In der Tat ist sie nur indirekt über die Regierungen der Mitgliedstaaten, welche die EU-Kommissare vorschlagen, legitimiert. Dies wurde bei ihrer Gründung absichtlich so gemacht, um sie dem Einfluss der täglichen politischen Auseinandersetzungen zu entziehen. Durch den erheblichen Zugewinn an Kompetenzen in den vergangenen Jahrzehnten sind Forderungen nach einer besseren Legitimierung dieses EU-Organs aber durchaus berechtigt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um sowohl als Einzelperson als auch in Gruppen und Vereinen Einfluss auf die Europäische Union auszuüben. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde zum ersten Mal ein Instrument der direkten Demokratie in der EU eingeführt: die Europäische Bürgerinitiative. Durch diese können EU-Bürger bewirken, dass sich die Kommission mit einem bestimmten Thema auseinandersetzt. Ein weiteres Instrument der direkten Einflussnahme ist das Petitionsrecht. EU-Bürger haben die Möglichkeit eine Petition beim Europaparlament einzureichen und dieses somit auf ein bestimmtes Problem aufmerksam zu machen. Darüber hinaus kann man sich beim Europäischen Bürgerbeauftragten über Missstände in der Verwaltungstätigkeit der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union beschweren, der die einzelnen Beschwerden überprüft und gegebenenfalls weitere Schritte einleitet.

Die Eurokrise ist gleichzeitig auch eine Staatsschuldenkrise. Dies hat den Fiskalpakt als Ergänzung zum ESM zwingend erforderlich gemacht. Denn der Fiskalpakt legt fest, dass solidarische Hilfen nur dann gegeben werden können, wenn nicht nur Reformen zur Verbesserung des wirtschaftlichen Wachstums in den Ländern umgesetzt werden, sondern auch eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte erfolgt. Beides trägt dazu bei, dass die Hilfen nicht dauerhaft gewährt werden müssen, sondern gleichzeitig die Grundlage gelegt wird, in absehbarer Zeit wieder auf eigenen Füßen zu stehen.

Eine Volksabstimmung über die Einführung des Fiskalpaktes wäre deshalb in Deutschland juristisch nicht erforderlich gewesen. Schließlich ging es im Kern darum, die Schuldenbremse, die in unserem Grundgesetz bereits verankert ist, nun auch auf europäischer Ebene einzuführen. Außerdem wäre eine solche Abstimmung wohl auch nur dann sinnvoll, wenn sie unter Einbeziehung aller am Fiskalpakt beteiligten Länder gemeinsam europaweit durchgeführt würde. Für europaweit durchzuführende Referenden fehlen jedoch sowohl klare gesetzliche Regelungen als auch der politische Wille, diese Regeln zu schaffen und Abstimmungen herbeizuführen.

Abschließend und zusammenfassend möchte ich Ihnen aber versichern, dass ich Ihre Sorge über das Problem des Demokratiedefizits auf europäischer Ebene sehr ernst nehme und bestens nachvollziehen kann. Gleichzeitig hoffe ich, dass ich Ihnen durch meine Ausführungen die Skepsis gegenüber den vorhandenen, wenn auch nicht perfekten, EU-Organen nehmen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Jarzombek

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