Frage an Thomas Hummel von Benno S. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Hallo Thomas Hummel,
mit dem Gymnasium Gröbenzell haben sie ja eigentlich eine ganz vernünftige Schule besucht. Zwar galten Sie schon damals als etwas "überbayert", aber welcher Ihrer Vorbehalte gegenüber dem Euro haben sich eigentlich bestätigt? Die starke Rolle gegenüber dem Dollar? Die Verbesserung der wirtschaftlichen Möglichkeiten bayerischer Unternehmen im Ausland Ihre Waren zu verkaufen? Die Vereinfachung der bayerischen Bürger in ganz Europa zu reisen und somit den bayerischen Tourismusunternehmen zu stärken?
Und betreiben Sie nicht billigen Populismus, wenn Sie Brüssel auf "Bananenverordnungen" reduzieren? Grenz es nicht an politischer Desinformation der Bürger, wenn sie den Nutzen den die europäische Rechtsvereinheitlichungen für die Wirtschaft oder die übereuropäische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen für die Sicherheit der bayerischen Bürger hat?
Führt diese Politik der Abgrenzung nicht letztendlich, wie in Katalonien oder im Baskenland, zur Diskriminierung von Menschen, die nicht Ihrem barocken Bayern-Bild entsprechen?
mit freundlichen Grüßen
Benno Scholle
Grüß Gott, Herr Scholle!
"welcher Ihrer Vorbehalte gegenüber dem Euro haben sich eigentlich bestätigt?"
Zum einen die faktische Inflation in der Form, daß viele Preise einfach teurer umgerechnet wurden, zum anderen aber auch die Inflation im engeren Sinne, also ein realer Geldwertverlust. Zudem haben die Länder und ihre Zentralbanken die Einflußmöglichkeiten auf die ehemals eigene Währung verloren und auf gesamteuropäischer Ebene dominieren eher die Verfechter weicher Währungen. Daß der Euro ggü. dem Dollar relativ gut dasteht, liegt eher an dessen Schwäche.
Aber wie gesagt: Die Frage ist entschieden, wir haben den Euro, wir können damit leben, wir wissen auch nicht wirklich, ob es uns mit der D-Mark derzeit besser gehen würde, und ein Zurück wäre momentan sowieso kein gangbarer Weg.
"Die Vereinfachung der bayerischen Bürger in ganz Europa zu reisen und somit den bayerischen Tourismusunternehmen zu stärken?"
Und nur, weil man nicht wechseln muß, ist das gleich einfacher? Ich bezweifle schon, daß sich die Leute ihre Urlaubsziele nach der Währung aussuchen.
"Und betreiben Sie nicht billigen Populismus, wenn Sie Brüssel auf ´Bananenverordnungen´ reduzieren?"
Lesen Sie nochmal, was ich geschrieben habe. Ich habe die EU ausdrücklich nicht darauf reduziert, sondern das vielmehr als einen Punkt genommen, der mittlerweile schon berühmt-berüchtigt ist und genau das darstellt, was Europa nicht sein sollte. Und die Tatsache, daß es reicht, dieses Stichwort nur zu nennen und dann jeder zumindest grob im Bilde ist, zeigt, daß leider genau diese negativen Dinge in der Wahrnehmung der Menschen hängenbleiben - auch, wenn es vielleicht nur Kollateralschäden einer an sich guten Sache sein mögen.
"Nutzen den die europäische Rechtsvereinheitlichungen für die Wirtschaft"
Freilich, es ist vorteilhaft, wenn man sich jederzeit in einem anderen Land ansiedeln kann und das Recht vor Ort gleich kennt. Aber nach dieser Argumentation müßte man dann das gesamte und nicht nur das Wirtschaftsrecht angleichen - und zwar weltweit. Nur nützt auch das identischste Recht wenig, wenn die übrigen Voraussetzungen uneinheitlich sind.
Gerade das ist doch der Beweggrund des Subsidiarimus: Wir können nicht jedes Land über einen Kamm scheren und wenn es divergierende Bedürfnisse gibt, dann muß die jeweils kleinste fähige Ebene divergierende Lösungen finden dürfen. (Da sind wir übrigens wieder bei der Anfangsfrage nach dem Euro angelangt: Eine europaeinheitliche Geldpolitik ist bei einem derart großen und unterschiedlichen Währungsraum äußerst schwierig.)
Aber man muß auch daran erinnern, daß wir bereits ein Welt-Kaufrecht (CISG) haben. Und was passiert damit in der Geschäftspraxis? Es wird großflächig abbedungen und durch eigene, oft hunderte Seiten lange Vereinbarungen oder auch durch das besser passende Recht eines bestimmten Staates ersetzt. Der Mensch hat die Dinge gern einfach, einheitlich und vorgesetzt - aber so funktioniert´s halt nicht.
"übereuropäische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen"
Gegen Zusammenarbeit habe ich nie etwas gesagt. Sehr problematisch ist dagegen bspw. die Auslieferung an Staaten, die unsere Anforderungen an ein faires Verfahren nicht einhalten - und trotzdem gibt es Art. 16 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, der sich schon mit grundsätzlicher Rechtsstaatlichkeit zufriedengibt.
"Führt diese Politik der Abgrenzung nicht letztendlich, wie in Katalonien oder im Baskenland, zur Diskriminierung von Menschen, die nicht Ihrem barocken Bayern-Bild entsprechen?"
Dieses Argument könnte man dann aber gegen jedes staatliche Gebilde unterhalb der Vereinten Nationen führen: Haben Österreich und die Schweiz, beides Beispiele für sehr kleine, unabhängige Länder, verengt-idealtypisierte Bilder ihrer Staatsbürger? Diskriminiert Deutschland automatisch die Nichtdeutschen? Und Europa die Nichteuropäer? Daß es mir nicht darum geht, hier ein reines urbayerisches Volkstum, wie es allenfalls in norddeutschen Klischees existiert, zu propagieren, habe ich hier bereits mehrfach geschrieben.
Zudem ist das für mich gerade keine Form der Abgrenzung. Regionalismus bedeutet nicht, die anderen "draußen lassen" zu wollen, sondern über die eigenen Angelegenheiten autonom entscheiden zu können - und umgekehrt dieses Recht auch den anderen Regionen zuzugestehen. Ich will jedenfalls nicht über die friesischen Deiche mitreden.
Und wenn ich mir mich, meine Parteifreunde und deren Familien so anschaue, dann läßt sich eines feststellen: Wir fressen die Preußen nicht, wir jagen sie auch nicht mehr mit Mistgabeln aus dem Land; wir assimilieren sie einfach durch Heirat. Das sind dann mal echte Migrationsgewinne...
Mit barock-überbayerten Grüßen,
Thomas Hummel.