Thomas Hartung
SPD
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Frage von Andreas K. •

Frage an Thomas Hartung von Andreas K. bezüglich Wirtschaft

Lieber Herr Hartung,

was halten Sie vom bedingungslosen Grundeinkommen?

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Kühne

Antwort von
SPD

Lieber Herr Kühne,

das nenne ich zielsicher in ein schwieriges Thema stoßen!

Natürlich kann man diese Frage nicht befriedigend mit dafür oder dagegen beantworten.

Zunächst müssen wir uns eingestehen, dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem auf absehbare Zeit nicht - meiner Ansicht nach nie wieder - in der Lage ist, für alle Erwerbsfähigen einen 40-Wochenstunden-Job bereit zu stellen. Mit den "Überzähligen" kann man auf zwei prinzipielle Arten umgehen.

Die derzeit auftretenden schwarzgelbrotgrünen Politiker stellen diese Menschen wirtschaftlich und gesellschaftlich auf ein Abstellgleis und nennen das Hartz IV. Ich will keine Grundsatzdiskussion führen, ob der Regelsatz ausreicht. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Betroffenen oft zum Nichtstun verdammt sind. Vorgestern wendete sich eine junge Frau an mich, die als ALG-II Empfängerin eine Ausbildung zur Sozialassistentin machen wollte. Die ARGE droht ihr daraufhin an, dass sie und ihre Kinder aus der Förderung herausfallen, wenn sie diese Ausbildung antritt. Wo bleibt die Motivation, sich aus der Misere herauszuarbeiten? Nicht einmal ehrenamtlich dürfen die Betroffenen uneingeschränkt tätig sein. Sie sollen zu Hause am Telefon auf den Anruf der ARGE warten. Der kommt nur leider praktisch nie.

Der andere Weg wäre, das derzeit ausgeschlossene Potential für Tätigkeiten zu nutzen, die nach unserem System nicht bezahlbar, gesellschaftlich aber wichtig sind. Ich meine damit die Menschen, die die Wirtschaft nicht braucht, endlich wieder als wertvolle Teile unserer Gesellschaft anzusehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich nach ihren Fähigkeiten und Interessen einzubringen. Dazu sollten sie ein bedingungsloses - ich spreche lieber von einem repressionsfreien - Grundeinkommen erhalten. Dieses sollte ausreichen, ein normales Leben in der Mitte und nicht am Rand der Gesellschaft zu führen. Finanziell sollte man die Ausgaben nicht scheuen, kostet doch beispielsweise jeder 1-Euro-Job den Steuerzahler deutlich mehr als 1000 Euro. Außerdem gibt es Dinge, die wichtiger sind als Geld - eben ein ehrenamtliches Potential, das letztlich auch wieder uns allen zu Gute kommt. Dabei ist mir bewusst, dass nicht jeder sofort ehrenamtlich tätig würde. Ich wäre schon zufrieden, wenn es zunächst mehr als die Hälfte wären. Und natürlich sollten wir uns die Frage stellen, ob die 40-Stunden-Woche in unserer Situation gesellschaftspolitisch - ich meine nicht ökonomisch - noch opportun ist.

In diesem Kontext unterstütze ich das bedingungslose Grundeinkommen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thomas Hartung