Frage an Thomas Birk von Hans G. K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Mit einem unsäglichen Flugblatt macht die "BIG-Partei" auch im Schöneberger Norden derzeit Stimmung gegen die an Berliner Schulen geplanten Unterrichtseinheiten zum Themenkomplex "Homosexualität / andere Formen des (Zusammen)Lebens / Gegen Diskriminierung von Homosexuellen / Bisexuellen".
Offenbar auf Grundlage eines BZ-Artikels vom 20. Juni 2011 titelt die "BIG" auf dem Flugblatt "Alle Kinder schützen. Gegen Schulfach »Schwul«". Die "BIG-Partei" gibt dann nicht nur falsche oder zumindest irreführende Informationen - gezielt auch an türkischsprachige MitbürgerInnen und Eltern (Flugblatt ist auf Deutsch und Türkisch formuliert) -, sondern versucht hier offensichtlich, auf Kosten einer Minderheit ihre eigenen Interessen zu publizieren und wahltaktisch davon zu profitieren. In dem Flyer wird u.a. fälschlicherweise behauptet, dass Erstklässlern Begriffe wie "Darkroom" oder "Selbstbefriedigung" näher gebracht werden sollen. Auch wird angedeutet, dass Kinder im Unterricht homosexuell gemacht werden könnten: "Durch die werbende Darstellung der homosexuellen Lebensform im Unterricht wird das Recht der Eltern auf Vermittlung der eigenen Werte ausgehebelt. Wir dürfen nicht mehr entscheiden, wovor wir unsere Kinder bewahren wollen", so steht es in der deutschen Version des Flugblatts.
Die "BIG" ruft in diesem Zusammenhang über facebook auch zu einer "Aufsehen erregenden" Aktion am Einschulungstag, dem kommenden Samstag, vor Berliner Grundschulen auf und rekrutiert dafür sogar offen Schüler, die an dieser "Aktion" teilnehmen sollen.
Wie stehen Sie zu diesem Flugblatt und dieser Art von "Wahlkampf" der "BIG-Partei"?
Sehr geehrter Herr Kegel,
auch mich hat dieses Flugblatt empört, deswegen habe ich zusammen mit meiner Kollegin Anja Kofbinger gestern folgende Pressemitteilung veröffentlicht:
"Die neu gegründete Partei BIG (Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit) erliegt der Verführung des billigen Populismus und setzt auf Homophobie als Zugpferd im Kampf um Wählerstimmen. Dies steht im krassen Widerspruch zu den postulierten Zielen des Bündnisses, wie zum Beispiel die "aktive gesellschaftliche und politische Teilhabe aller Mitbürger unter Bewahrung ihrer eigenen vielfältigen Identität".
Im Kampf gegen Ungleichbehandlung ausgerechnet auf Ressentiments gegen Homosexuelle zu setzen, ist paradox. Mit dem reißerischen Titel "Alle Kinder schützen - gegen das Schulfach schwul" versucht die Partei mit der in Teilen einiger Migrantencommunities verbreiteten Ablehnung von Homosexualität Wahlkampf zu machen. Sie vertieft damit die Gräben zwischen Minderheiten, anstatt den gegenseitigen Respekt zu fördern. Dieses Schriftstück hat ganz klar die Note 6 verdient.
Deshalb fordern wir die Partei BIG auf, den Flyer sofort zurückzuziehen und empfehlen der Führungsspitze ein Training gegen Homophobie bei einem der vielen dafür bereit stehenden Träger."
Ich möchte dem hinzufügen, dass die BIG-Partei Fehlinformationen über den Bildungskoffer des Landes Berlin, wie sie schon über die Springerpresse verbreitet wurden, aufgegriffen und durch Polemik noch einmal verstärkt hat. Allerdings hatte sich Bildungssenator Zöllner (SPD) nach einem Artikel in der BZ vom Aufklärungsmaterial seines eigenen Hauses distanziert, anstatt die Falschinformationen richtig zu stellen und die akzeptanzfördernde Bildungsarbeit damit zu unterstützen.
Wir setzen uns dagegen dafür ein, dass gerade im Bildungsbereich über Fortbildungen, AnsprechparterInnen, Freie Träger, Peer-to-Peer-Arbeit und Materialien mehr für die Akzeptanz der Vielfalt sexueller Identäten getan wird. So begrüße ich ausdrücklich den Elternbrief, der vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) zusammen und dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) zu diesem Zweck verteilt wird. Im Zuge der Fortführung der Initiative sexuelle Vielfalt (ISV) müssen wir weiterhin Wege beschreiten, neben der allgemeinen Akzeptanzförderung auch zielgruppenorientierte Diversityarbeit zu leisten.
Beste Grüße
Thomas Birk