Frage an Thomas Bareiß von Susanne T. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Bareiß,
vor einigen Monaten konnte ich Sie anlässlich Ihres Firmenbesuchs persönlich kennenlernen. Nun wende ich mich als äußerst besorgte Bürgerin an Sie:
Sicher sind Ihnen die Ängste der 30.000 Bürger, die ihre Ersparnisse bei der Kaupthing Edge angelegt haben, bekannt. Letzte Woche wurde die Bank von Island verstaatlicht und seitdem sind unsere Ersparnisse "eingefroren". Für einige von uns steht inzwischen bereits die Existenz auf dem Spiel. http://kaupthingedge.foren-city.de
Uns stellen sich vor allem folgende Fragen:
1) Weshalb gilt der "Schutzschirm" der Bundesregierung nicht für uns mit dem Hinweis, dass die Isländische Einlagensicherung dafür zuständig wäre, während die Bayerische LB, die Gelder im großen Stil in Island investiert hat, sich aus dem "Rettungspaket" bedienen darf?
2) Wie kann es sein, dass die Regierungen der anderen betroffenen Länder (England, Niederlande, Schweden ...) innerhalb weniger Tage Lösungen im SInne ihrer Bürger gefunden haben, sich die Deutsche Bundesregierung aber noch immer in Schweigen hüllt und kein "Verantwortlicher" sich zu Wort meldet?
3) Weshalb kann man von Kleinanlegern wie uns verlangen, dass wir uns im Dschungel der EU-/EWR-Richtlinien zurechtfinden, gleichzeitig wissen, in welchem Verhältnis eine in Deutschland ansässige Bank zu ihrer Muttergesellschaft steht und welche rechtlichen Konsequenzen daraus resultieren, während nicht einmal die zuständigen deutschen Behörden scheinbar durchblicken?
4) Wie ist es möglich, dass eine Bank in Deutschland mit dem sog. EU-Pass agieren kann und dabei nicht einmal die geringste Kontrolle Deutschlands statfindet, so dass Anleger quasi ins offene Messer laufen?
Sehr geehrter Herr Bareiß, ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir diese Fragen beantworten könnten, ohne dabei auf die für viele Ihrer Kollegen leider üblichen Standardfloskeln zu verweisen. Wir benötigen endlich konkrete Aussagen! Und wir erwarten nun endlich die Unterstützung unserer Regierung.
MfG
S. Thamm
Sehr geehrte Frau Thamm,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage vom 22. Oktober 2008 zur Finanzkrise und insbesondere zur Pleite der isländischen Kaupthing-Bank. Ihre Sorge kann ich sehr gut nachvollziehen und ich bedauere es sehr, dass Sie selbst von dieser Krise betroffen sind.
Ich kann verstehen, dass Sie auf Verhandlungen mit Island durch unsere Bundesregierung drängen. Seien Sie versichert, dass von deutscher Seite durchaus politischer Druck auf Island ausgeübt wird, auch wenn dies nicht so medienwirksam wie in anderen Ländern geschieht. Es gibt Bestrebungen von Seiten der Bundesregierung, mit der isländischen Regierung zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Sie setzt sich dafür ein, dass für die Sparer aus Deutschland Entschädigungen gemäß der isländischen Einlagensicherung gezahlt werden. Derzeit ist davon auszugehen, dass zumindest die Entschädigungssummen gerettet werden. Wir sollten nun die weiteren Verhandlungen und durchaus die weiteren Bemühungen der isländischen Regierung, die Kaupthing-Bank vor der Insolvenz zu bewahren, abwarten.
Ich bitte auch um Verständnis dafür, dass ich es als falsches Signal ansehe, wenn Island (oder andere ausländische Banken) durch eine sofortige Übernahme der Einlagen von der Haftung freigestellt würde. Meines Erachtens sind daher in dieser Situation in erster Linie die Staaten in der Pflicht, in der die betroffene Bank ihren Sitz hat. Die Bundesregierung tut dies insbesondere für die Deutschen Banken.
Ich bin mir sicher, dass am Ende eine Lösung, welche die Anleger entschädigt, erreicht wird, sofern Island zahlungsfähig bleibt. Erst wenn Island dies nicht mehr gewährleisten kann, ist zu überlegen, ob der Finanzmarktstabilisierungsfonds auch hier eingreifen könnte. Jedoch sollten wir im Interesse der Allgemeinheit Island nicht vorschnell aus der Verantwortung entlassen. Des Weiteren wird derzeit von der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds über eine Kredithilfe an Island nachgedacht.
Am 9. Oktober 2008 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Zahlungs- und Veräußerungsverbot über die deutsche Niederlassung der Kaupthing Bank verhängt. Dieses so genannte Moratorium gilt unbefristet und soll einen überstürzten, ungeordneten Abzug der Einlagen verhindern. Nach deutschem Recht müssen laut BaFin spätestens sechs Wochen nach Verhängen des Moratoriums die Weichen für die Entschädigung der Kunden gestellt werden. Die deutsche Niederlassung hat noch Gelder in unbekannter Höhe, darf diese aber aufgrund des Moratoriums nicht auszahlen. Was im Fall einer Insolvenz mit den Geldern geschieht, die noch bei der deutschen Tochter liegen, ist unklar. Unter Umständen müssten diese Einlagen dann in den isländischen Einlagensicherungsfonds überwiesen werden.
Die Kaupthing-Bank ist nicht Mitglied des deutschen Bankenverbandes und als ausländisches Institut auch nicht in der deutschen gesetzlichen Einlagensicherung. Daher nimmt die isländische Bank auch nicht am deutschen Einlagensicherungsfonds teil. Die Kunden profitieren auch nicht von der Garantieerklärung der Bundesregierung für Einlagen auf Tages- und Festgeldkonten.
Die Bank ist dem isländischen Einlagensicherungsfonds angeschlossen. Dieser Fonds schützt die Einlagen jedes einzelnen Kunden - auch in Deutschland - bis zu einer Höhe von 20.887 Euro zu 100 Prozent. Dieser Betrag ist zwar vom isländischen Staat garantiert und unabhängig vom Kurs der Krone. Der isländische Staat müsste einspringen, wenn das Geld im Fonds nicht ausreicht. Allerdings vertritt er den Standpunkt, nur an isländische Bürger zu zahlen, da die ausländischen Verbindlichkeiten dermaßen groß seien, dass sie zum Staatsbankrott von Island führen würden, wenn sie bedient werden müssten.
Man muss nun zunächst abwarten, ob die isländische Bankaufsicht den Entschädigungsfall feststellt. Davon kann jedoch ausgegangen werden. Die Finanzaufsicht in Reykjavik hat für die Prüfung drei Wochen Zeit. Sollte der Einlagensicherungsfall festgestellt werden, wird ein Entschädigungsverfahren eingeleitet. Die deutschen Kunden der Kaupthing Bank müssten sich dann beim isländischen Einlagensicherungsfonds melden, um ihre Einlagen zurückzufordern (das notwendige Formular kann man sich auf Englisch unter www.tryggingarsjodur.is/Payments herunterladen).
Deutsche Kunden können allenfalls Einlagen von bis zu etwa 20.800 Euro bei der isländischen Zentralbank einfordern. Die Ansprüche können sie bei der isländischen Einlagensicherung anmelden. Solange die Bank aber noch keine Insolvenz angemeldet hat, können Ansprüche deutscher Kunden vom isländischen Einlagensicherungsfonds nicht berücksichtigt werden. Auch die von der Europäischen Union beschlossene Erhöhung des gesetzlichen Schutzschirms von mindestens 50.000 Euro kommt in diesem Fall nicht zum Tragen.
Es gelten folgende Ratschläge für Kaupthing-Kunden:
1. Eine Verstaatlichung ist noch keine Pleite. Ob Kaupthing bankrott ist, entscheidet sich erst noch. So lange sind die deutschen Einlagen wegen des Moratoriums der BaFin eingefroren. Die Frist endet am 20. November.
2. Falls die Zahlungsunfähigkeit festgestellt wird, müssen Sparer innerhalb von zwei Monaten ihre Ansprüche anmelden, und zwar über die Website der isländischen Einlagensicherung (www.tryggingarsjodur.is/QA ).
3. Dem Formular müssen möglichst aktuelle Kontoauszüge und Belege über Einzahlungen vom Referenzkonto beigefügt werden. Die gelten auch alternativ zu den Kaupthing-Kontoauszügen, falls diese nicht vorliegen oder nicht auszudrucken sind.
4. Falls es notwendig wird, die Unterlagen einzureichen, schicken Sie diese am Besten per Einschreiben an:
Seðlabanki Íslands
Central Bank of Iceland
Kalkofnsvegi 1
150 Reykjavik
Aufgrund der täglich neuen Entwicklungen empfehle ich Ihnen, sich über die Presse, die Homepage des Bundesfinanzministeriums (www.bundesfinanzministerium.de )
und die Homepage der Kaupthing Bank auf dem Laufenden zu halten. Außerdem finden Sie unter http://kaupthingedge.foren-city.de stets die aktuellsten Informationen. Hier haben Betroffene für Betroffene ein Hilfeforum eingerichtet.
Im internationalen Rahmen gab es sicherlich bisher zu wenig Regulierung und Kontrolle. Zukünftig brauchen wir eine unabhängige Finanzaufsicht. Wenn es internationale Finanzmärkte gibt, muss es auch eine internationale Regulierung und Aufsicht geben. Dazu gehören grenzüberschreitende Transparenz bei Finanzgeschäften und gemeinsame Standards. Über die europäischen Grenzen hinaus ist eine stärkere Kontrolle aller Akteure auf den Finanzmärkten notwendig. Ein entsprechender Ausbau des Internationalen Währungsfonds IWF wäre dabei die passende Kontrollinstanz.
Sehr geehrte Frau Thamm, ich hoffe ich konnte Ihnen die aktuelle Situation nochmals ausführlich darlegen und Ihnen auch die Gründe nennen, warum ich im Fall der Kaupthing-Bank oder ähnlichen Fällen für Zurückhaltung plädiere und den Weg, der derzeit durch den Gesetzgeber beschritten wird für richtig erachte. Darüber hinaus versichere ich Ihnen, dass ich mich dafür einsetzen werde, dass die betroffenen Sparer und auch Sie letztendlich nicht im Regen stehen gelassen werden. Ich bin mir sicher, dass die deutsche Bundesregierung mit ihren Bemühungen, den Menschen in dieser finanziell prekären Situation zu helfen, nicht hinter den anderen EU-Ländern zurückbleiben wird, was das aktuelle Rettungspaket über 500 Milliarden Euro verdeutlicht.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Bareiß MdB