Frage an Thomas Bareiß von Nam-Anh N. bezüglich Recht
Guten Tag Herr Bareiß,
ich halte meine Frage kurz und knapp. Wieso haben Sie gegen das Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung abgestimmt? Spekulationen erspare ich mir an dieser Stelle.
Mit freundlichem Gruß,
Nam-Anh Nguyen
Sehr geehrter Herr Nguyen,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Abgeordnetenbestechung. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass in der öffentlichen Diskussion zum Teil der falsche Eindruck vermittelt wird, korruptes Verhalten von Politikern sei in Deutschland bisher überhaupt nicht strafbar. Das stimmt schlicht nicht. Tatsächlich ist in § 108e des Strafgesetzbuches der Kauf und Verkauf von Stimmen bei Wahlen und Abstimmungen - und damit die Annahme von Bestechungsgeld für die wichtigste Handlung eines Abgeordneten - bereits seit 1994 unter Strafe gestellt. Bei den Gesetzentwürfen der Opposition, die in der noch laufenden Wahlperiode im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages beraten wurden, ging es daher ausschließlich darum, den geltenden Straftatbestand zu erweitern. Damit sollten die entsprechenden Vorgaben der UN-Konvention gegen Korruption umgesetzt und eine Ratifizierung des Abkommens ermöglicht werden. Selbstverständlich setze auch ich mich im Sinne dieses Übereinkommens dafür ein, Korruption im privatwirtschaftlichen wie auch im öffentlichen Bereich zu verhindern und zu bekämpfen. Warum habe ich dennoch gegen die Gesetzesentwürfe der Opposition gestimmt? Eine Umsetzung der UN-Konvention in deutsches Recht ist rechtlich außerordentlich komplex. Die UN Konvention unterscheidet nämlich nicht zwischen Amtsträgern und Abgeordneten. Nach dem Grundgesetz sind Abgeordnete jedoch - im Gegensatz zu Beamten - Träger eines freien Mandats. Sie sind keinen Weisungen unterworfen und nur ihrem Gewissen und ihren Wählern verantwortlich. Anders als bei Beamten und Richtern sind Abgeordnete immer auch Interessenvertreter, beispielsweise ihres Wahlkreises oder bestimmter Gruppierungen, wie z.B. Gewerkschaften. Ein gewisses Maß an Parteilichkeit ist legitimer Bestandteil ihres parlamentarischen Wirkens und ihrer politischen Arbeit. Diese besondere, im Grundgesetz verankerte Stellung von Abgeordneten in Deutschland ist auch historisch begründet. Vor dem Hintergrund der Verfolgung oppositioneller Reichstagsabgeordneter nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollen Abgeordnete als Volksvertreter so vor Willkürhandlungen der Exekutive geschützt werden. Die besondere Rolle von Abgeordneten lässt sich also auch an ihrer Demokratie-stützenden Funktion festmachen. In einer Regelung, die die Strafvorschrift der Abgeordnetenbestechung erweitert, muss deshalb genau festlegt werden, wo zulässige Einflussnahme auf Abgeordnete endet und wo strafwürdige Einflussnahme beginnt. So verlangt es unser Grundgesetz. Dabei darf die ebenfalls verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Mandatsausübung nicht angetastet werden. Das alles ist aber mit den Vorgaben der UN-Konvention nur sehr schwer in Einklang zu bringen. Den von der Opposition vorgelegten Gesetzentwürfen ist das jedenfalls nicht gelungen. So haben es mehrheitlich auch die rechtswissenschaftlichen Experten gesehen, die wir im Rechtsausschuss am 17. Oktober des letzten Jahres dazu öffentlich angehört haben. Nichtsdestotrotz werden die parlamentarischen Beratungen in der nächsten Wahlperiode weitergehen und auch in der Union werden wir weiter konstruktiv diskutieren, wie eine Umsetzung des Übereinkommens erfolgen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Bareiß MdB