Frage an Thomas Bareiß von Cora von H. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Barreiß,
von Hause aus ist meine Familie und ich sehr konservativ, zudem bin ich persönlich politisch sehr interessiert. Allerdings geht mir zunehmend meine politische "Heimat" verlustig.
Das liegt nicht an mir, sondern vielmehr an der Politik der CDU.
Ich bezweifle, dass es eine Politkverdrossenheit gibt, es ist nämlich in Wahrheit eine Politiker- verdrossenheit.
Der neueste Schildbürgerstreich der CDU ist die Abschaltprämie und wie könnte es anders sein, selbstverständlich wieder zu Lasten der kleinen Verbraucher. Wieder ein Beleg erfolgreicher Lobbyarbeit, aber bitte bedenken Sie Folgendes, bei der nächsten Bundestagswahl, wird es nicht genügen die Wählerstimmen der Vorstände der DAX-Konzerne auf sich zu vereinigen, ausser es wird auf eine Verhältisswahl zurückgegriffen und diese Herren und Damen erhalten einfach mit diesem Hebel mehr Stimmgewicht.
Es ist jedenfalls alles andere als sozial den Atomausstieg alleine durch private Verbraucher finanzieren zu lassen. Dafür danke ich der CDU sehr. Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang auch, dass Grossverbraucher dank des sozial sehr ausgewogenen Beschlusses der Bundesregierung Netzentgelte nicht mehr bezahlen müssen.
Versprochen war vor der Wahl mal wieder etwas völlig anderes, nämlich mehr Netto vom
Brutto.
Doch zu meiner Frage: Ist es nach Ihrem Dafürhalten richtig, dass Grossverbraucher
keine Netzentgelte bezahlen und ist es auch in Ordnung für Sie, dass diese Verbraucher
auch von der Abschaltprämie partizipieren.
Mit freundlichen Grüssen
Eine absolut entäuschte Ex CDU-Wählerin
Cora von Haeften
Sehr geehrte Frau von Haeften,
vielen Dank für Ihre Email vom 25.01.2012.
Bereits mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes 2011 schuf die christlich-liberale Koalition Instrumente zur Netzstabilisierung. Die Verordnung legt in diesem Sinne erstmals ein verpflichtendes Lastmanagement fest. So leisten große deutsche Stromabnehmer dank der Verordnung künftig auch einen entscheidenden Beitrag zur Netzstabilität.
Die intelligente Netzeinbindung zumeist industrieller Lasten kann zur Netzsicherheit beitragen und korrespondiert in gewisser Weise mit dem kontinuierlich wachsenden Anteil an nicht stetig, sondern fluktuierend einspeisenden Erzeugungsanlagen. Abschaltbare Lasten können beispielsweise helfen, Netzungleichgewichte (Diskrepanz zwischen Erzeugung und Abnahme) auszugleichen, Bilanzkreisungleichgewichte zu beseitigen (Diskrepanz zwischen prognostizierter Abnahme und eingekaufter Erzeugung) sowie den Ausgleichsenergiebedarf zu verringern.
Das verpflichtende Lastenmanagement, wie es die Verordnung über abschaltbare Lasten vorsieht, ist deshalb sehr zu begrüßen. Für ihren Beitrag zur Erhaltung der Netzstabilität erhalten die Unternehmen eine angemessene Kompensation - immerhin geht es hier um Strommengen in der Größenordnung von bis zu mittelgroßen Städten. Richtig ist, dass die Zahlungen, die Übertragungsnetzbetreiber an abschaltbare Lasten leisten, direkt in die Netzentgelte eingehen. Sie wirken allerdings nur minimal strompreiserhöhend für Verbraucher (Größenordnung im Schnitt von ca. 0,02 bis 0,05 ct. pro Kilowattstunde).
Sehr geehrte Frau von Haeften, in Ihrer Mail sprechen Sie auch die Netzentgeltbefreiung der Stromintensiven Industrie kritisch an. Ich möchte dies gerne zum Anlass die Berichterstattung darüber richtigzustellen. Falsch ist, dass der Verbraucher 1,1 Mrd. Euro für Entlastungen für die Großindustrie zahlen muss. Richtig ist, dass nur etwa ein Fünftel der Gesamtentlastungssumme, d. h. rund 240 Mio. Euro, auf industrielle Großverbraucher entfallen. Der ganz überwiegende Anteil der Entlastungen von den Stromnetzentgelten, nämlich rund 660 Mio. Euro, kommt Haushalten und anderen Kleinverbrauchern für Nachtspeicherheizungen und Wärmepumpen zugute. Weiterhin werden auch Pumpspeicherkraftwerke in größerem Umfang entlastet.
Falsch ist, dass die betreffende Entlastungsregelung klammheimlich von der Regierungskoalition eingeführt wurde. Richtig ist, dass es sich bei den Vorschriften zur Entlastung bestimmter Verbrauchergruppen von den Netzentgelten um eine seit längerem bestehende Regelung handelt. Sie wurde im Jahr 2005 von der rot-grünen Bundesregierung in die Stromnetzentgeltverordnung eingeführt und entlastete Großverbraucher zuletzt bereits von 80 Prozent der Netzentgelte. Die nun erfolgte moderate Ausweitung dieser bestehenden Entlastungsregelung war Teil der Beschlüsse zum Energiepaket, denen im Sommer 2011 eine breite Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat zugestimmt hat.
Falsch ist auch die Unterstellung, es handele sich bei der Regelung um eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Industrie. Richtig ist, dass damit der Tatsache Rechnung getragen wird, dass Industriekunden durch ihre gleichmäßige Stromabnahme auch in Schwachlastzeiten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze leisten.
Mit dem immer stärkeren Zubau an erneuerbaren Energien und dem Wegfall von rund 10 Prozent der gesicherten Erzeugungsleistung durch die Abschaltung der Kernkraftwerke in diesem Frühjahr erhöht sich die Gefahr von Stromausfällen. Die Netzstabilität ist eine der Hauptherausforderungen der aktuellen Energiepolitik. Aus diesem Grund ist die Netzentgeltbefreiung für die stromintensiven Industrien mit einer gleichmäßigen Stromabnahme von mindestens 7.000 Stunden und 10 Gigawattstunden im Jahr richtig und notwendig.
Die Entlastung dient schließlich auch dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Industrien, bei denen die Stromkosten einen wichtigen Kostenfaktor darstellen. Wir müssen dringend sicherstellen, dass energieintensive Industrien in Deutschland auch weiter eine Heimat haben. Die Energiepreise sind ein immer wichtiger werdender Faktor für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Die Industriestrompreise in Deutschland sind bereits heute wesentlich höher als beispielsweise in Frankreich, Spanien oder den USA. Wir können es uns nicht leisten, dass die stromintensiven Industrien, wie Alu- und Kupferhütten, Stahlwerke, Gießereien oder Papierfabriken, wegen unkontrolliert steigender Energiepreise aus Deutschland abwandern. Steigt der Strompreis nur um einen Cent pro Kilowattstunde, hat beispielsweise die Chemiebranche bereits Mehrkosten von 500 Millionen Euro pro Jahr.
An diesen Industrien hängen in Deutschland nicht nur rund eine Million Arbeitsplätze. Vielmehr bilden sie die erste Stufe der Wertschöpfungskette zu den hochspezialisierten Industriegütern, die Deutschland mit so großem Erfolg auf den Weltmärkten verkauft. Und auch der geplante Umbau der Energieversorgung wird ohne diese Branchen nicht gelingen, denn es würde nicht ein Windrad und nicht eine Photovoltaik-Anlage in Deutschland mehr gebaut ohne die erforderlichen Grundstoffindustrien. Ein weiterer unkontrollierter Anstieg der Energiekosten gefährdet somit den Industriestandort Deutschland - und damit die Grundlagen unseres Wohlstandes.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Bareiß MdB