Frage an Thomas Bareiß von Holger H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Bareiß,
die Dienstleistungslinie ist nun in Kraft. Deutsche Unternehmen können nun erleichtert grenzüberschreitend Aufträge abwickeln, ebenso EU-Unternehmen grenzüberschreitend nach Deutschland hinein.
So arbeiten nun meisterfreie Unternehmungen aus ganz Europa in Deutschland handwerkliche Aufträge ab. Das ist sicherlich zu begrüßen, gewährleistet es doch eine Erhöhung der Vielfalt, steht für eine Flexibilisierung des Binnenmarktes und kann einer Modernisierung des Handwerks dienen.
Deutsche Handwerksgesellen dürfen aber nach wie vor keine meisterfreie Selbständigkeit in ihrem eigenen Land. Durch die auch von Ihnen vertretene Änderung der Gewerbeordnung ist es nach dem Inkrafttreten der Dienstleistungslinie meisterfreien Deutschen Handwerkern auch nicht möglich einen Betrieb im benachbarten Ausland zu gründen und Aufträge nach Deutschland hinein zu übernehmen. Mit dieser Gesetzesfassung wertschätzen Sie also die deutsche Gesellenausbildung geringer als die (u.U.) Nicht-Ausbildung der Franzosen, Spanier oder Iren.
Meine Fragen
Was ist der Grund dafür, dass die Wirtschaftspolitik der CDU einem deutschen Verbraucher untersagt sich für einen deutschen Handwerker zu entscheiden, der keinen Meistertitel führt, während dieser Verbraucher aber zwischen deutschem Meisterbetrieb und einem unausgebildetem französischen Handwerksunternehmen auswählen darf? Warum werten sie die Deutsche Berufsausbildung auf diese Weise so ab?
Mit freundlichen Grüßen
Herrmann
Sehr geehrter Herr Herrmann,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie sich nach der Dienstleitungsrichtlinie erkundigen und nach den Gründen für eine angebliche Ungleichbehandlung deutscher Handwerker im Verhältnis zu Handwerkern aus anderen EU-Mitgliedstaaten bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten. Lassen Sie mich zunächst betonen, dass ich die Arbeit und die vor allem die Qualität der Arbeit des deutschen Handwerks sehr schätze. Daher verstehe ich Ihre Sorge, dass unsere Qualität und Standards im Zuge des Zusammenwachsens der Europäischen Union aufgeweicht werden und zu einem Wettbewerbsnachteil für unsere heimischen Handwerker führen könnten. Daher habe ich das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gebeten, zu Ihrem Anliegen Stellung zu nehmen. Das Ministerium hat mir wie folgt geantwortet: Für die rechtliche Beurteilung der Anfrage ist nicht die dort genannte Dienstleistungsrichtlinie, sondern die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Berufsanerkennungsrichtlinie) einschlägig, die im Handwerksrecht mit der EU/EWR-Handwerk-Verordnung umgesetzt wurde.
Die EU/EWR-Handwerk-Verordnung regelt für die zulassungspflichtigen Handwerke sowohl den Fall, dass ein Handwerker aus dem EU-Ausland sich dauerhaft in Deutschland niederlassen will, als auch den Fall, dass jemand vorübergehend und gelegentlich grenzüberschreitende Dienstleistungen im zulassungspflichtigen Handwerk erbringen will. Wer sich als EU-Ausländer in Deutschland im zulassungspflichtigen Handwerk niederlassen will, benötigt eine Anerkennung seiner Berufsqualifikation. Diese erfolgt entweder über die Anerkennung von Ausbildungsnachweisen oder die Anerkennung von Berufserfahrung. Für die Anerkennung von Ausbildungsnachweisen ist ein Vergleich der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Berufsqualifikation mit den hier geltenden Anforderungen vorgesehen. Nur wenn der vorgelegte Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis bescheinigt, dass das Berufsqualifikationsniveau dem im Inland geforderten Niveau vergleichbar oder höher ist, zumindest aber unmittelbar unter dem im Inland geforderten Niveau liegt, ist eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle zu erteilen. Um Niveauunterschiede auszugleichen, können dem ausländischen Antragsteller Ausgleichsmaßnahmen (Anpassungslehrgang oder Eignungsprüfung) auferlegt werden. Entgegen Ihrer Auffassung können sich somit EU-Ausländer nicht ohne jegliche Qualifikation im zulassungspflichtigen Handwerk in Deutschland niederlassen. Wer nur vorübergehend und gelegentlich grenzüberschreitend Dienstleistungen im zulassungspflichtigen Handwerk in Deutschland erbringen will, ohne sich hier niederzulassen, muss dieses vorab bei der Handwerkskammer anzeigen. Sofern der EU-Ausländer zur Ausübung desselben Berufs rechtmäßig in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem der Beruf reglementiert ist, oder - falls der Beruf im Herkunftsstaat nicht reglementiert ist - sofern er zwei Jahre Berufserfahrung vorweisen kann, darf er in Deutschland tätig werden. Also auch im Fall der vorübergehenden und gelegentlichen Tätigkeit im zulassungspflichtigen Handwerk können EU-Ausländer nicht ohne Weiteres in Deutschland tätig werden. Zudem kann die Behörde bei den Gesundheitshandwerken und dem Schornsteinfegerhandwerk vor der ersten Dienstleistungserbringung die Berufsqualifikation nachprüfen.
Sehr geehrter Herr Herrmann, abschließend möchte ich betonen, dass ich in meiner Arbeit im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und im Europaauschuss Ihre Sorgen weiter kritisch verfolgen werde und dass ich weiterhin für den Erhalt des hohen Standards der Berufsausbildung in Deutschland eintrete werden. Nicht zuletzt wegen des engagierten deutschen Handwerks sind wir so gut durch die größte Wirtschaftskrise der Bundesrepublik Deutschland gekommen.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüße
Thomas Bareiß MdB