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Thomas Bareiß
CDU
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Frage von Holger R. •

Frage an Thomas Bareiß von Holger R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Her Bareiß,

leider konnte sich die CDU bei der Frage des Volksentscheids nicht der FDP anschliessen. Das Mittel der Petition soll gestärkt werden. Aber nur mit dem Volksentscheid ist eine wahrhafte Demokratie möglich. Außerdem würden sich die Wähler dann intensiver mit der Politik befassen.

Warum sträubt sich die CDU dagegen, den Volksentscheid einzuführen?
Wollen Sie nicht, dass sich die Wähler mehr mit der Politik befassen?
Wollen Sie nicht noch mehr Demokratie in unserem Land?
Sind Sie nicht genug von sich selbst und unserer Demokratie überzeugt, dass Sie mit einem gefassten Volksentscheid Ihr Mandat weiter ausüben könnten?

Viele Grüße
Holger Reuchlin

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Reuchlin,

vielen Dank für Ihre Frage. Bei der Einführung von Volksentscheiden handelt es sich um eine komplizierte Angelegenheit. Viele Bürger sind der Meinung, dass die Volksabstimmung zu mehr Demokratie verhilft, bei den Bürgern mehr Interesse für Politik weckt und somit die Lösung für eine Vielzahl von Problemen darstellt.
Dennoch bedeutet ein Plebiszit komplizierte Sachverhalte auf ein Ja oder Nein zu reduzieren. Demgegenüber ist die Entscheidungsfindung im politisch-parlamentarischen Prozess auf einen möglichst gerechten Interessensausgleich, auf die Suche nach richtigen Kompromissen ausgerichtet. Bezüglich von Plebisziten herrscht der Irrglaube vor, dass der Einzelne mehr Einfluss hätte. In der Tat würde die Bedeutung von Verbänden und Interessensgruppen, die große Kampagnen organisieren können, wachsen. Engagierte Minderheiten erhielten großen Einfluss auf die Staatsgeschicke - ohne dafür dauerhaft in die Verantwortung stehen zu müssen.
Problematisch ist, dass es bei Plebisziten keine Ausschussberatungen, Sachverständigenanhörungen und keine Beteiligung der Länder gibt. Im Gegenteil: Wenn im Bund plebiszitär entschieden wird, endet der Föderalismus. Gegen das Verfassungsgebot, dass die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken, würde offensichtlich verstoßen werden.
Das Grundgesetz hat sich nach den Erfahrungen aus der Weimarer Republik für eine strikt repräsentative Demokratie entschieden und bis auf die Neugliederung des Bundesgebietes (Art. 29) sind plebiszitären Elementen nicht vorgesehen. Wenn es in Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz heißt, die Staatsgewalt werde vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt, dann räumt das Grundgesetz den Ländern damit durchaus die Option ein, für ihren Bereich und den der Kommunen Plebiszite durchzuführen.
In Baden-Württemberg kann auf kommunaler Ebene eine Bürgerbeteiligung in Form von Bürgerbegehren und Entscheiden durchgeführt werden. Im Juli 2005 wurde in Baden- Württemberg ein Gesetz beschlossen, das vorsah, die direkte Demokratie in den Kommunen weiter auszubauen. Dies begrüße ich ausdrücklich.
"Bonn ist nicht Weimar" und Berlin auch nicht. Dennoch sprechen auch heute noch gravierende Gründe gegen eine Aufnahme plebiszitärer Elemente (Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid) in das Grundgesetz.
Neben den bereits genannten Befürchtungen treten noch folgende hinzu:
- Der Minderheitenschutz wäre gefährdet, da weder die Gruppen, die für eine Entscheidung in Ihrem Sinne werben, noch die Stimmbürger dem Gemeinwohl verpflichtet sind.
- Die "Parteienverdrossenheit" könnte auch nicht überwunden werden. Das Gegenteil ist zu befürchten. Bei Aufnahme von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz, würden sich - legitimerweise - auch die politischen Parteien dieser Verfahren bedienen. Wenn die Parteien aber die freie Entscheidung darüber hätten, ob sie ein bestimmtes Anliegen auf plebiszitärem oder parlamentarischem Wege verfolgen wollten, würde erneut die Flucht aus der parlamentarischen Verantwortung drohen. Eine Entwertung des Parlaments, das möglicherweise nur noch in weniger wichtigen Fragen zu entscheiden hätte, könnte die Folge sein. Durch Plebiszite könnten sich die Parteien also aus ihrer politischen Verantwortung stehlen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Position habe näher bringen können.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Bareiß MdB

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