Frage an Thilo Hoppe von Bernhard F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Hoppe,
eine Meldung des Kölner Stadt-Anzeigers vom 8. Oktober 2008 lautet: "Ein Bündnis von 52 internationalen Hilfsorganisationen hat vor einer dramatischen Verschlechterung der humanitären Lage in Somalia gewarnt. <...> Die internationale Gemeinschaft hat die somalische Zivilbevölkerung völlig im Stich gelassen.", zu finden auf http://www.ksta.de/html/artikel/1223244077026.shtml .
Wäre für gefährdete Staaten nicht eine konkurrenzfreie Versorgung mit Nahrungsergänzungsmitteln möglich, die nicht mit einheimischer Produktion konkurriert, weil keine besondere Sättigung erreicht wird, obwohl die Nährstoffversorgung akzeptabel ist?
Ein Beispiel: Würde man einen Teil der von Europa importierten Sojaproduktion der USA statt in Tierfutter in Sojamilch verwandeln könnte man damit ein Schulmilchprogramm für afrikanische Länder auflegen. Was nötig wäre wäre (A) eine Motivation für den Kunden Soja statt Fleisch zu bestellen und (B) eine Alternative zur Fleischproduktion für Bauern.
(A) ist kein Problem, weil man Fleisch mit Soja mischen kann. Ein Mischprodukt aus 75% Soja und 25% Fleisch würde vermutlich keinem McDonalds Kunden unangenehm auffallen (Ich persönlich ziehe sowieso das 100%ige Sojaprodukt vor aber das müßte man auszeichnen während die Regierung die Beimengung von Soja zu Fleischbratlingen einfach nur genehmigen müßte, vielleicht verbunden mit dem Appell an Fast-food Ketten und Hersteller diese Möglichkeit auch zu nutzen, nicht zuletzt auch im Interesse der Gesundheit der Kunden.
(B) könnte mit der Herstellung von Biodiesel gelöst werden.
Eine weitere Möglichkeit Konkurrenz in betroffenen Ländern zu vermeiden wäre Produktion zur Herstellung von Biodiesel vor Ort, aber mit der Option in Krisensituationen statt dessen Nahrungsmittel billiger abzugeben. Beide Möglichkeiten könnten auch Arbeitsplätze in den betroffenen Ländern schaffen und damit eine Ursache für Armut reduzieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Bernhard Fastenrath
Lieber Herr Fastenradt,
vielen Dank für Ihre Fragen und Anregungen, die sich auf sehr komplexe Themen beziehen: Nahrungsmittelhilfe, Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern, Konsumenten- und Ernährungsgewohnheiten, internationaler Handel und die Produktion von Biotreibstoffen. Diese Bereiche sind alle miteinander verknüpft. Gerne stelle ich Ihnen im Folgenden meine Gedanken zu diesen Themen dar.
Nahrungsmittelhilfe ist humanitäre Nothilfe, die für Menschen bereitgestellt werden muss, die sich aufgrund von Naturkatastrophen, politischen und ökonomischen Krisen oder gar Kriegen in einer Notsituation befinden, in der sie sich selbst nicht mehr versorgen können. Grundsätzlich gilt, dass Nahrungsmittelhilfe möglichst eine kurzfristige Hilfsmaßnahme sein sollte. Wichtig ist dabei auch, dass die Hilfe wirklich an den Bedürfnissen der Hungernden ausgerichtet wird und nicht beispielsweise dazu dient, Nahrungsmittelüberschüsse aus Europa und den USA in Entwicklungsländern los zu werden.
Ich setze mich daher seit langem für eine effektive, bedarfsorientierte Nahrungsmittelhilfe ein. Und tatsächlich hat der Deutsche Bundestag auf grüne Initiative hin im März 2008 einen interfraktionellen Antrag verabschiedet (Drucksache 16/8485), der die Bundesregierung dazu auffordert, sich bei der anstehenden Neuverhandlung der internationalen Nahrungsmittelhilfekonvention dafür einzusetzen, dass künftig die Bedürfnisse der Not leidenden Menschen und das Recht auf Nahrung in den Mittelpunkt gestellt werden.
Langfristig kommt es darauf an, dass ein Staat fähig ist, seinen Bürgern das Recht auf Nahrung und damit Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Hier kann die internationale Gemeinschaft ebenfalls helfen, z.B. indem sie im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ländliche Entwicklung fördert oder sich im internationalen Handel dafür stark macht, dass Nachhaltigkeits- und Menschenrechtskriterien eingehalten werden.
Die Situation in Somalia ist aufgrund der politischen Entwicklungen sehr schwierig. Die Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen erschwert den Zugang ausländischer Hilfsorganisationen zu den Menschen, die dringend Hilfe bedürfen. Zudem behindert die Übergangsregierung massiv die humanitäre Hilfe. Zum Beispiel blockiert sie Hilfslieferungen und sperrt sichere Flugplätze. Die EU, der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon und der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen haben bereits an die somalische Regierung appelliert, den ungehinderten Zugang humanitärerer Organisationen zu gewährleisten. Die sicherheitspolitische Lage in Somalia ist so dramatisch, dass auch die lokale Nahrungsmittelproduktion nicht mehr funktioniert. Das heißt, die von Ihnen angedeutete mögliche Konkurrenzsituation zwischen Nahrungsmittelhilfe und lokalen Bauern ist in Somalia gar nicht relevant. Das Problem besteht hier vielmehr darin, dass die humanitären Helfer nur sehr schwer Zugang zu der großen Zahl an Notleidenden Menschen haben.
Ihre Idee, dass Konsumenten in Industrie- und Schwellenländern weniger Fleisch essen sollten, damit Getreide und Soja statt an Tiere lieber an Menschen "verfüttert" werden, teile ich prinzipiell. Vielleicht finden Sie es interessant, folgende Zahlen zu lesen, die den enormen Ressourcenverbrauch der Fleischproduktion verdeutlichen: Für die Produktion von einem Kilogramm Fleisch werden je nach Fleischart 7-16 Kilogramm Getreide oder andere pflanzliche Produkte sowie 10 000 -13 000 Liter Wasser benötigt. Um ein Kilogramm Getreide zu erzeugen, braucht man -- je nach Boden -- 400 bis 1000 Liter Wasser. Auf der Fläche, die man zur Erzeugung eines einzigen Kilos Fleisch braucht, könnte man im selben Zeitraum 200 Kilogramm Tomaten, 160 Kilogramm Kartoffeln oder 120 Kilogramm Karotten ernten. Während für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch 323 Quadratmeter Land verbraucht werden, sind es für die gleiche Menge Reis nur 17 Quadratmeter.
Die Grünen plädieren deswegen dafür, unseren fleisch-lastigen Ernährungsstil zu hinterfragen und unseren Konsum an tierischen Lebensmitteln einzuschränken. Das ist gut für Umwelt, Tiere und unsere eigene Gesundheit. Ihre Idee einer "Soja-Beimischungsquote" für Burger finde ich durchaus interessant, sie sollte an die Wirtschaft herangetragen werden. Es ist allerdings meiner Meinung nach nicht richtig und auch politisch nicht durchsetzbar, Unternehmen -- wie z.B. McDonald- per Gesetz solche Soja-Beimischungsquoten vorzuschreiben. Dies könnte höchstens freiwillig geschehen und müsste gegenüber dem Konsumenten transparent gemacht werden.
Wofür ich grundsätzlich eintrete, ist die Forderung, für den gesamten Agrarsektor -- sowohl für Nahrungsmittel- als auch für Energiepflanzenproduktion - Nachhaltigkeits- und Menschenrechtskriterien zu entwickeln. Dann hätte ich zumindest die Sicherheit, dass der Burger bei McDonald aus Fleisch besteht, bei dessen Anbau soziale und ökologische Standards beachtet wurden.
Unter folgendem Link finden Sie ausführliche Infos zu diesen Themen: _http://www.thilo-hoppe.de/cms/default/rubrik/11/11921.welternaehrung.html_
Herzliche Grüße,
Thilo Hoppe.