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Thilo Hoppe
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Frage von Bernd J.R. H. •

Frage an Thilo Hoppe von Bernd J.R. H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Guten Tag,

der NZZ vom 26.03.08 konnte ich entnehmen, dass insbesondere in der 17 Millionen Stadt Kairo ein eklatanter Brotmangel vorherrscht. Es ist auf Dauer mit Unruhen zu rechnen, die auch von politischen Wirrköpfen genutzt werden können. Tatsache ist, dass Ägypten der größte Weltimporteur von Weizen ist und der Preis seit Sommer 2007 um das Dreifache gestiegen ist. Auf Grund der Devisenschwäche des ägyptischen Regimes hat nun das Militär eine Mangelbewirtschaftung und die Versorgung und Verteilung mit Brot an die Armen übernommen. Heute las ich, dass das durch Ölexporte erworbene Gesamtvermögen im Mittleren Osten von 1995 bis 2007 hat inzwischen die Summe von 30 Billionen (30 000 Milliarden) US-Dollar erreicht. Dies gab jetzt das Dubai International Financial Centre ( DIFC) bekannt. Der Chefökonom von DIFC, Dr. Nasser Saidi: "Die gesamte Region ist geprägt von steigendem Reichtum und wachsender Liquidität."
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Was kann die BR Deutschland tun, um konkrete Hilfe anzubieten?
Was kann die EU tun, um konkrete Hilfe anzubieten?

Können die Staatsfonds der reichen Staaten der Golf Region nicht eingreifen und Sonderprogramme wie den ERP auflegen, der uns Deutschen half. Heute vor genau 60 Jahren unterschrieb Präsident Truman den "Foreign Assistance Act". US Außenminister George C. Marshalls Plan sah Hilfen in Form von Krediten, Lebensmittel-, Sach- und Rohstofflieferungen vor.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Henke,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich verfolge die aktuelle weltweite Nahrungsmittelkrise ebenfalls mit großer Besorgnis. Ägypten ist ein Beispiel für die dramatischen Auswirkungen, die diese Krise auch auf Länder hat, deren Entwicklung in den vergangenen Jahren eigentlich gut voran geschritten ist. Am stärksten betroffen sind hier die armen Bewohnerinnen und Bewohner von Städten und ländlichen Gebieten. Für diese Menschen ist der tägliche Überlebenskampf nun noch härter geworden. Auch in Ägypten bringen die Menschen einen Großteil ihres Einkommens für die Ernährung auf. Steigen die Preise für die Grundnahrungsmittel um das Zwei- bis Dreifache, sprengt dies die Haushaltskassen der Menschen. In der Folge müssen Familien Mahlzeiten oft vollständig streichen oder sich ernorm beschränken. Ausgaben für Schule und Gesundheit, die nicht unmittelbar für das Überleben wichtig sind, werden zurückgefahren. Fortschritte, die im Land im Kampf gegen Armut gemacht wurden, werden so in kürzester Zeit zu Nichte gemacht.

Die Preissteigerungen der vergangenen Monate für Nahrungsmittel und Energie verschärfen das weltweite Hungerproblem. Dies führt nicht nur in Ägypten zu Krawallen, Protesten und Plünderungen. Die Hungerkrise bedeutet ganz klar auch eine Gefährdung der politischen Sicherheit. In Haiti beispielsweise wurde in Folge der Nahrungsmittelkrise sogar die Regierung gestürzt. Weltbankpräsident Robert Zoellik geht davon aus, dass es in etwa 33 Ländern zu sozialen Unruhen und Gewaltausbrüchen kommen wird.

Ein Handeln nicht nur der Bundesregierung und EU, sondern der gesamten internationalen Gemeinschaft ist daher dringend erforderlich. Wir Grünen fordern seit Jahren, dass im Rahmen sowohl der bi- als auch der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit die kleinbäuerliche Landwirtschaft und allgemein die ländliche Entwicklung stärker gefördert wird, damit diese Länder Ernährungssouveränität erlangen. Bisher gingen nur 3,1 Prozent der Mittel für die bilaterale deutsche Entwicklungszusammenarbeit in den ländlichen Sektor und kamen direkt Kleinbauern zugute, die Grundnahrungsmittel anbauen, um die eigene Bevölkerung zu versorgen. Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind lange Zeit falsche Strategien gefahren worden. Gleiches gilt für die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken.

Die aktuelle Krise hat aber immerhin dazu geführt, dass die Bedeutung der ländlichen Entwicklung wieder mehr Anerkennung auf der Entwicklungsagenda findet: So hat das BMZ angekündigt, im Haushalt 2009 mehr Geld für diesen Bereich bereit zu stellen. Auch das deutliche Bekenntnis des Weltentwicklungsberichts 2008 sowie die Zusage der Weltbank, ihre Programme im Agrarbereich in Afrika von 450 Millionen US$ auf 800 Millionen US$ zu verdoppeln, ist begrüßenswert. Für eine wirksame Bekämpfung von Armut und Hunger brauchen wir eine nachhaltige Produktion von Grundnahrungsmitteln für lokale und regionale Märkte und die Förderung von Kleinbauern. Dieser Kurswechsel hin zu der Förderung einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung wurde auch beim Welternährungsgipfel in Rom, an dem ich Anfang Juni 2008 teilnahm, von einer Vielzahl von Staaten angekündigt. Erst wenige konkrete Taten sind bisher gefolgt.

Neben der Förderung kleinbäuerlicher und Ressourcen schonender Landwirtschaft in den Entwicklungsländern brauchen wir auch dringend eine neue globale Handelspolitik. Als erstes müssen Agrarexportsubventionen abgeschafft werden. Anstatt hier mit gutem Beispiel voranzugehen, hat die EU erst vor kurzem wieder Subventionen für den Export von Schweinefleisch eingeführt. Diese Agrarexportsubventionen schädigen Bauern und Bäuerinnen in Entwicklungsländern, zerstören deren Märkte, stellen eine Verschwendung von Steuermitteln dar und lassen Großproduzenten in Europa und den USA von den Subventionen überproportional profitieren.

Neben den oben genannten langfristigen, strukturellen Veränderungen, brauchen wir kurzfristig humanitäre Hilfsmassnahmen. Die Bundesrepublik, die EU und internationale Gemeinschaft müssen für die von der Krise am stärksten betroffenen Länder Nahrungsmittelhilfe bereitstellen. Nahrungsmittelhilfe ist zwar keine Strategie, um das Hungerproblem zu lösen, aber sie leistet humanitäre Nothilfe für diejenigen, die am schlimmsten vom Hunger betroffen sind und ohne diese Form der Hilfe von außen nicht überleben könnten. Aufgrund der gestiegen Nahrungsmittel- und Transportpreise stehen die Organisationen, die Nahrungsmittelhilfe leisten, momentan vor einer gewaltigen Herausforderung. Sie brauchen dringend mehr Geld, um ihre bestehenden Programme weiter finanzieren zu können.

Ich teile Ihre Meinung, dass auch die reichen arabischen Golfstaaten in dieser Krise Verantwortung zumindest für ihre arabischen und afrikanischen Nachbarn übernehmen sollten. Als Ölfördernde und -exportierende Länder tragen sie wesentlich zu den Preissteigerungen der Energiepreise bei, die sich wiederum unmittelbar auf die Preissteigerungen bei Lebensmitteln auswirken (z.B. durch höhere Kosten für Düngemittel beim Nahrungsmittelanbau und gestiegene Transportkosten von Nahrungsmitteln). Ein von den Golfstaaten finanziertes Aufbau- und Unterstützungsprogramm für die ärmeren Länder der Region - ähnlich dem ursprünglichen European Recovery Program der USA für Europa - wäre sicherlich sehr hilfreich.
Genaue Zahlen hinsichtlich der Entwicklungshilfe und humanitären Hilfe der wohlhabenden Golfstaaten gegenüber ärmeren Nachbarn wie u.a. Ägypten kann ich Ihnen leider nicht nennen. Einige Golfstaaten - insbesondere Saudi Arabien - zählen aber zu den sogenannten "Neuen Gebern". Hierbei handelt es sich um Geberstaaten, die nicht dem Entwicklungshilfe-Komitee (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angehören, die aber Beiträge zur Finanzierung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit leisten. Im Fall der Golfstaaten schwanken die Zahlungen allerdings sehr und sind häufig auf wenige Empfänger in der eigenen Region konzentriert.

Auf meiner Homepage finden Sie in der Rubrik "Welternährung" weitere, ausführliche Informationen zur Hungerproblematik sowie zu meinem Engagement in diesem Bereich:

http://www.thilo-hoppe.de/cms/default/rubrik/11/11921.welternaehrung.html

Mit freundlichen Grüßen,

Thilo Hoppe