Frage an Tankred Schipanski von Eric G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Hallo Herr Schipanski,
Sie als Abgeordneter meines Heimatkreises, wie denken Sie denn über die aktuelle Situation in Moria?
Finden Sie es denn moralisch verwerflich, dass Sie in der Abstimmung zur Aufnahme besonders schutzbedürftiger geflüchteter aus den griechischen Lagern eben gegen genau diese Aufnahme gestimmt haben? Wir reden immerhin von ebenjenen Schutzsuchenden, die momentan auch aufgrund dieser Abstimmung in menschenunwürdigen, überfüllten (und inzwischen durch Brand verwüsteten!) Behausungen leben müssen, in denen der so dringend notwenige derzeitige Hygienestandard nicht eingehalten werden kann.
Sehr geehrter Herr Ganther,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Situation im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos beschäftigt uns als Union sehr. Hier hat die Bundesregierung eine erste Antwort mit schneller Hilfe zugesagt.
Lassen Sie mich grundsätzlich feststellen, dass die anhaltenden Fluchtbewegungen nach Europa eine Herausforderung für das bestehende Asylsystem und die deutsche Integrationspolitik sind. Um in Europa eine abgestimmte Asylpolitik zu erreichen, ist die Bundesregierung und der Bundesminister des Inneren Horst Seehofer in intensiven Verhandlungen mit den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Ich erachte es hier als den richtigen Weg, in der Asylpolitik abgestimmt mit unseren europäischen Partnern vorzugehen. Nur eine koordinierte Verteilung und ein Verteilungsschlüssel führen dazu, dass wir am bewährten Schengen Raum festhalten können, welcher mit erheblichen wirtschaftlichen Erfolgen und der garantierten Reisefreiheit ohne Passkontrollen einhergeht. Eine einseitige Aufnahme Deutschlands würde auch dazu führen, dass wir perspektivisch keine geordnete Verteilung erreichen würden. Vor diesem Hintergrund kann nur eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik die Lösung auf die Herausforderung sein.
Aufgrund der politisch anhaltenden Debatten und Verhandlungen um die europäische Verteilung hat sich die Bundesregierung entschieden, im Rahmen einer Koalition der Willigen, viele Kinder, insbesondere unbegleitete, bereits aufzunehmen. Diese Bereitschaft wurde nun im Rahmen des Brandes im Flüchtlingslager noch einmal bestärkt und um weitere 150 Kinder erhöht. Auch Frankreich schließt sich dieser Initiative an und weitere 10 europäische Partner haben ihre Bereitschaft signalisiert. Zudem wird mit den anderen europäischen Partnern über weitere Kontingente verhandelt.
Die Situation im Flüchtlingslager Moria zeigt, wie dringend wir die europäisch koordinierte Flüchtlingspolitik mit klaren Verteilungsquoten brauchen. Diese stellt sicher, dass nicht einzelne Länder die Aufgabe alleine übernehmen und mit der Aufnahme überfordert werden. Sie verbessert zudem auch die Unterbringung der Geflüchteten, ermöglicht faire Asylbewerbungsverfahren und erleichtert perspektivisch die Rückführung und Abschiebung bei Verweigerung des Asylbescheids.
Deutschland strebt als eines der zentralen Vorhaben der EU-Ratspräsidentschaft Fortschritte bei der gemeinsamen Flüchtlings- und Asylpolitik an. Das Bundesministerium des Inneren ist hier in Verhandlungen und ich hoffe, dass zeitnah Fortschritte erzielt werden können. Hierfür bedarf es aber einer koordinierten Europäischen Antwort und keine nationalen Entscheidungen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort behilflich sein konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Tankred Schipanski