Frage an Tankred Schipanski von Jens S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Schipanski,
da Sie ja noch nicht so sehr alt sind, kennen Sie sich sicherlich noch in studentischen Kreisen aus und wissen noch, was filesharing, runterladen usw. bedeuten.
Ich bin kein Rechtskundiger und auch kein Betroffener sondern ein einfacher Mediziner, der sich in der bundesdeutschen Paragrafenwelt einfach nicht wohlfühlt, ja eigentlich oftmals nur noch als Jongliermasse für Rechtsanwälte vorkommt.
In letzter Zeit häufen sich Fernsehsendungen und Zeitungsartikel sowie Youtubeinformationen über die ausufernde Abmahnpraxis in Deutschland.
Ihre Kollegen (Abmahn-)anwälte kennen scheinbar gar keine Schamgrenzen mehr, um nicht aus jeder sich bietenden Möglichkeit unangemessenen Profit zu schlagen.
Der "Normalobürger" steht diesem Gebaren Ihrer Kollegen "...ohne jede ebenbürtige Waffe gegenüber und wird ausgenommen wie eine Weihnachtsgans." (sinngemäßes Zitat eines Fachanwalts für Medienrecht auf Youtube). Will sich der hilflose betroffene Bürger wehren, muß er sich selber einen Anwalt nehmen, den er auch sehr teuer bezahlen muß. Egal wie man es wendet, es verdienen immer die Anwälte.
Es geht diesen häßlichen Charakteren doch längst nicht mehr ums Recht oder die Wahrung von Urheberrechten sondern ganz offensichtlich überwiegend um ihre widerwärtigen Profitinteressen. Das Recht wird durch diese Leute, glaub ich, massiv beschmutzt und ca. 600.000 betroffene Bürger verlieren jährlich weiter den Glauben ans hiesige Rechtssystem, wenn sie ihn nicht schon vorher verloren hatten.
Wohl kaum ein Normalbürger bringt für solches anwaltliches Auftreten Verständnis auf. Es ist eine Abmahnindustrie entstanden, die das Recht mit ihren völlig überzogenen Forderungen mit Füßen tritt.
Meine Frage: Sehen Sie hier auch Handlungsbedarf, die Materie des Medienrechts allgemein endlich in vertretbare, nachvollziehbare und akzeptable Bahnen zu lenken und Klärung herbeizuführen? Wenn ja, wann und wie wollen Sie endlich gegen solche Auswüchse einschreiten?
Sehr geehrter Herr Scharke,
ich darf mich bei Ihnen für Ihre Anfrage bedanken. Tatsächlich sprechen Sie eine rechtliches Themenfeld an, indem eine bisweilen unseriöse Geschäftspraxis auszuufern droht.
Jedoch handelt es sich auch bei der von Ihnen angeprangerten Rechtewahrnehmung wie so oft um ein zweischneidiges Schwert. Lassen Sie mich daher zunächst klarstellen, dass illegale Downloads und Raubkopien zu einem erheblichen wirtschaftlichen Problem geworden sind. Dass sich Unternehmen gegen solches Verhalten wehren, darf grundsätzlich nicht der Kritik ausgesetzt sein. Wenn etwa Firmen der Film- oder Musikindustrie durch illegales Herunterladen wirtschaftliche Verluste in Millionen-Höhe entstehen, müssen diese auch mit rechtlichen Konsequenzen drohen. Da es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt, erscheint die Abmahnpraxis der damit beauftragten Kanzleien häufig geradezu industrieartig. Solange es sich aber um seriöse Rechteverfolgung handelt, kann dagegen kein Einwand erhoben werden.
Ich stimme Ihnen aber vollkommen darin zu, dass einer Abmahnpraxis, die auf Einschüchterung der oftmals überforderten Betroffenen setzt, Einhalt zu gebieten ist. Es handelt sich dabei um Anwälte, die fernab jeglicher Standesehre und entgegen dem Gedanken einer fairen Rechtspflege mit geradezu betrügerischer Absicht ihr Geschäft betreiben. Diese Fälle sind nicht die Regel, sie treten aber stark gehäuft auf. Diese Form der Abmahnpraxis ist in jedem Fall zu unterbinden.
Das deutsche Recht bietet hierfür auch alle Möglichkeiten. Neben den standesrechtlichen Bestimmungen kommen hier auch strafrechtliche und wettbewerbsrechtliche Regeln zum Zuge. Neue gesetzgeberische Maßnahmen sollten erst in Betracht gezogen werden, wenn mit den bestehenden rechtlichen Mittel der Situation nicht mehr beizukommen ist. Sie verweisen selber zu Recht auf die häufig undurchschaubare "bundesdeutsche Paragrafenwelt". Dennoch hat der Gesetzgeber auch schon reagiert: So beschränkt der § 97a Urhebergesetz den Ersatz der Rechtsverfolgungskosten bei einfach gelagerten Fällen. Insgesamt erscheint es mir aber - statt neuer Regulierungen - der sinnvollere Weg zu sein, die Bürgerinnen und Bürger über betrügerische Praktiken aufzuklären und Ihnen ihre rechtlichen Möglichkeiten klarzumachen. Dies ist aber auch eine Aufgabe der Medien und der Verbraucherschutzverbände, mit deren Hilfe sich betroffene Bürger auch zur Wehr setzen können.
Mit freundlichen Grüßen
Tankred Schipanski, MdB