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Sylvia-Yvonne Kaufmann
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Frage von Stefan G. •

Frage an Sylvia-Yvonne Kaufmann von Stefan G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Kaufmann,

warum haben sie als einziges Mitglied der deutschen Linkspartei im EP für den Lissabonvertrag gestimmt.? Die anderen Mitglieder ihrer Fraktion hatten deutliche und einleuchtende Argumente dagegen (Aufrüstungszwang etc.) Ihr Argument, das er auch Verbesserungen enthält (siehe ihre Antwort vom 9.5.08) halte ich nicht für einleuchtend. Es ist in der parlamentarischen Demokratie normal Kröten mit kleine Zugeständnissen schluckbar zu machen. Bei dieser grundlegenden Sache halte ich ihre Entscheidung aber für gefährlich.
Finden Sie es in diesem Zusammenhang nicht undemokratisch diesen grundlegenden Vertrag nun einfach durch die Parlamente zu jagen ohne das europäische Volk (bis auf Irland) zu fragen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Günther,

zunächst herzlichen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit im Europäischen Parlament. Der erste Teil Ihrer Anfrage betrifft meine Zustimmung zum Vertrag von Lissabon. Sie beruht auf meiner festen Überzeugung, dass dieser Vertrag eine wesentlich bessere Grundlage für den Kampf um ein friedliches, soziales, demokratisches und ökologisches Europa darstellt als der jetzt gültige Vertrag von Nizza, den ich seit vielen Jahren kritisiere und dessen Aufhebung ich lieber heute als morgen sehen würde. Ich habe meine Entscheidung nicht auf der Grundlage eines pauschal behaupteten "Besser" oder "Schlechter" getroffen, sondern mich intensiv und öffentlich gerade auch mit diversen Gegenargumenten - so auch aus der Linken - auseinandergesetzt. Ich möchte Ihnen hierzu das von mir und Jens Wolfram veröffentlichte Buch "Die EU und ihre Verfassung. Linke Irrtümer und populäre Missverständnisse zum Vertrag von Lissabon" empfehlen, das 2008 in zweiter Auflage mit einem Vorwort von Daniel Cohn-Bendit im Merus Verlag, Hamburg, erschienen ist. Hier finden Sie alle wesentlichen Argumente, weshalb ich mich meinem Gewissen folgend anders als meine Partei entschieden habe.

Der zweite Teil Ihrer Anfrage betrifft die Art und Weise der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon. Wie Sie bin auch ich der Meinung, dass Parlamentsentscheide ohne Volksaussprache nicht ausreichen, um die Legitimation der EU entscheidend voran und "Europa" den Menschen näher zu bringen. Sie müssen vielmehr die Möglichkeit haben, Europa direkt mitzugestalten. Dafür habe ich mich als linke Abgeordnete des Europäischen Parlaments stets eingesetzt und werde dies auch künftig tun. So habe ich am 13. Dezember 2007 anlässlich der Unterzeichnung des Lissaboner Vertrags durch die Staats- und Regierungschefs in einer Presseerklärung meine grundsätzliche Auffassung zur Ratifizierung des Vertrags bekräftigt und betont, dass die Entscheidung über seine Ratifikation nicht den Parlamenten allein überlassen werden darf. Ich habe mich für Volksentscheide ausgesprochen, die EU-weit am selben Tag stattfinden sollten, und zwar um überzeugend zu demonstrieren, dass es dabei um die gemeinsame Zukunft aller in der EU lebenden Bürgerinnen und Bürger geht und nicht um kleinkarierte nationale Sonderinteressen oder innenpolitisches Machtgerangel von Parteien. Vor diesem Hintergrund habe ich im Übrigen zugleich meiner Partei empfohlen, eine Mitgliederbefragung durchzuführen, was jedoch leider vom geschäftsführenden Vorstand abgelehnt worden ist.

Noch eine abschließende Bemerkung: Über das nationale Ratifizierungsverfahren von EU-Verträgen entscheiden kraft ihrer Souveränität ausschließlich die 27 EU-Staaten. Weder das Europäische Parlament noch andere EU-Institutionen sind dazu befugt -- und das ist gut so, denn wir wollen keinen europäischen Superstaat. Das heißt aber, wer -- wie Sie und ich -- Volksentscheide zu EU-Verträgen einfordert, muss dafür kämpfen, dass im eigenen Land der Weg dafür freigemacht wird.

Mit freundlichen Grüßen
Sylvia-Yvonne Kaufmann