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Sylvia-Yvonne Kaufmann
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Frage von Conrad W. •

Frage an Sylvia-Yvonne Kaufmann von Conrad W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kaufmann,

Es ist nun schon eine Weile her, da sie als deutsche EP-Vertreterin im EK den EU-Grundlagenvertrag mit gestaltet haben.

Eine maßgebliche Neuerung sollte die Einführung europäischer Bürgerinitiativen darstellen, welche ein Mehr an europaweiter zivilgesellschaftlicher Partizipation ermöglichen sollten.

Einige dieser EBI wurden mittlerweile initiiert und konnten erfolgreich zum Abschluss gebracht werden.

Wie fällt bezüglich dieses spezifischen Instrumentes und seiner intendierten Wirkungen ihr Zwischenurteil aus? Konnte ein Zuwachs europaweiter Partizipation erreicht werden? Trug das Instrument zur Demokratierung bei? Und sind die Vorgaben des Vertrages angemessen?

Über eine Antwort würde ich mich herzlich freuen.

MfG

C. F. W.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Europäischen Bürgerinitiative (EBI). Dieses neuartige Instrument der Bürgerbeteiligung zur Ausgestaltung der europäischen Politik liegt mir sehr am Herzen, da ich als Mitglied des Europäischen Konvents 2002/2003 unmittelbar an seiner Entstehung mitgewirkt und 2009 als Berichterstatterin des Europäischen Parlaments die ersten Leitlinien zu seiner rechtlichen Ausgestaltung auf den Weg gebracht habe.

Seit die Europäische Bürgerinitiative als erstes Instrument transnationaler partizipativer Demokratie genutzt werden kann, sind inzwischen drei Jahre vergangen. In 2015 ist nun vorgesehen, eine erste Zwischenbilanz über das bisherige Funktionieren der EBI zu ziehen und ggf. eine Evaluierung der Verordnung vom 12. April 2012 vorzunehmen.

Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass die EBI eine wichtige Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger in der EU darstellt, ihre Vorstellungen und Vorschläge zur weiteren Entwicklung des europäischen Integrationsprozesses in die öffentliche Debatte einzubringen und ihnen wichtige Themen auf die europäische Agenda zu setzen. Viele Bürgerinnen und Bürger wollen gern mehr Einfluss auf politische Debatten und Entscheidungsprozesse nehmen. Die EBI ist hierfür geschaffen worden.

In den ersten drei Jahren ihrer Anwendung hat sich jedoch m.E. gezeigt, dass es offensichtlich Probleme gibt, die es im Kern erschwert haben, dass sich das Potential der Europäischen Bürgerinitiative entfalten konnte. Dass von den bisher 51 eingereichten und 31 davon registrierten (und damit zugelassenen) Initiativen nur drei die notwendigen 1 Million Unterschriften sammeln konnten, ist ein Zeichen dafür, dass das Instrument verbessert werden sollte. So gibt es, um nur ein Beispiel zu nennen, keine einheitlichen Anforderungen für die Sammlung von Unterstützungsbekundungen; in den Mitgliedstaaten sind beispielsweise unterschiedliche Angaben zur Person für die Verifizierung von Unterschriften erforderlich. Als hinderlich beim Sammeln von Unterschriften hat sich zudem erweisen, dass in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten auch persönliche ID-Nummern angegeben werden müssen.

Am 26. Februar 2015 hat daher der Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten (AFCO) im Europäischen Parlament, in dem ich tätig bin, Vertreterinnen und Vertreter einzelner Bürgerinitiativen sowie Expertinnen und Experten zu einem Hearing eingeladen, um mit ihnen über die Erfahrungen bei der Durchführung von Bürgerinitiativen zu diskutieren. Diese sehr interessante Anhörung hat für mich deutlich gemacht, dass einige Veränderungen an der EBI-Verordnung vorgenommen werden sollten, um die Bürgerinitiative einfacher handhabbar und damit bürgerfreundlicher zu machen.

Frans Timmermans, 1. Vizepräsident der Europäischen Kommission und zuständig für die EBI, machte während der Anhörung im Europäischen Parlament deutlich, dass die neue Kommission in der Bürgerinitiative nicht nur ein rechtliches Instrument sieht, sondern es auch als Plattform für einen besseren Dialog mit der Zivilgesellschaft nutzen will. Dies ist aus meiner Sicht zu unterstützen, denn die Europäische Kommission hat in der Vergangenheit EBIs zu häufig mit dem bloßen Hinweis auf fehlende Zuständigkeiten zurückgewiesen bzw. erfolgreiche Initiativen nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die angemessen gewesen wäre. Im September 2014 etwa lehnte die Kommission die Registrierung einer EBI zu den Verhandlungen über Handelsabkommen der EU mit den USA und Kanada (TTIP bzw. CETA) mit demselben Argument ab. Dies empfand ich als falsches politisches Signal, denn gerade zu diesem Thema, das in der europäischen Öffentlichkeit, insbesondere auch in Deutschland, bekanntermaßen so hoch umstritten ist, hätte ich von der Kommission erwartet, dem Anliegen der Initiatoren der Bürgerinitiative die notwendige Aufmerksamkeit entgegen zu bringen.
Es sind schließlich insbesondere die umstrittenen und schwierigen Themen, die auf eine offene Debatte zwischen Politik und Zivilgesellschaft angewiesen sind. Formfehler dürfen den Geist der Europäischen Bürgerinitiative nicht in Ketten legen.

Mehr Informationen über die EBI finden Sie auch auf der Seite des AFCO: http://www.europarl.europa.eu/committees/de/afco/home.html;jsessionid=FA43C38E6712B59881D5F609ABA059E5.node1
Die Anhörung vom 26.2.2015 können Sie hier nachverfolgen: http://www.europarl.europa.eu/committees/de/events.html?id=20150226CHE00201

Wenn Sie weitere Fragen zum Thema haben, können Sie sich gerne an mich und mein Team wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Sylvia-Yvonne Kaufmann