Wie möchten Sie langfristig den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz in Deutschland aufstellen?
Sehr geehrte Frau Pantel,
die Flutkatastrophe im Bereich der Eifel hat deutlich gezeigt, dass sich das jetzige Katastrophenschutzsystem als zu bürokratisch und fehleranfällig erweist. Wo sehen Sie den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz in Deutschland. Wo sehen Sie die Aufgaben von Bund und Ländern, um hier eine Verbesserung zu gestalten?
Mit freundlichen Grüßen
Jan-Peter Gran
Sehr geehrter Herr G.,
Ihre Einschätzung, dass unser Katastrophenschutzsystem teilweise zu bürokratisch und fehleranfällig ist, teile ich. Insgesamt sind schätzungsweise 1,7 Millionen Ehrenamtliche im Zivil- und Katastrophenschutz in Deutschland tätig. Im Rahmen der Bewältigung der Flutkatastrophe in diesem Sommer dürften es einige hunderttausend Ehrenamtliche zusätzlich sein. Deshalb hat unbürokratische Unterstützung der Helferinnen und Helfer oberste Priorität. Im Deutschen Bundestag entwickeln wir daher Maßnahmen, z.B. in der Steuerpolitik oder im Baurecht, um den Katastrophenschutz und die ehrenamtliche Infrastruktur besser zu unterstützen. Grundsätzlich ist es dabei richtig, die föderale Struktur zu erhalten, damit die Problemlösungen vor Ort entwickelt werden und nicht alleine aus Berlin, wo die Bundespolitik oftmals über die Verhältnisse in den einzelnen Regionen nur ungenau informiert ist.
Das Bundesinnenministerium hat die Hauptzuständigkeit für das Thema, weil es dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) übergeordnet ist. Der seit November 2020 amtierende Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Armin Schuster hat bereits frühzeitig vor unseren Innenpolitikern berichtet, dass unser Bevölkerungs- und Katastrophenschutz mangelhaft ausgestattet ist. Das Bundesamt hat etwa 350 Mitarbeiter und ca. 250 Millionen Euro zur Verfügung. Hier wäre meines Erachtens eine Aufstockung, sowohl der Personal- als auch der Haushaltsmittel durch den Deutschen Bundestag denkbar und nötig gewesen, aber leider war das nicht mehrheitsfähig. Die Hochwasserkatastrophe im Sommer hat gezeigt, dass wir einen besseren Katastrophenschutz dringend brauchen.
Wir treten als CDU/CSU grundsätzlich für Maßnahmen zum Bürokratieabbau und für Erleichterungen im Bereich des ehrenamtlichen Katastrophenschutzes ein. Dazu zählt z.B. die Erhöhung des Freibetrages gemeinnütziger Vereine bei der Körperschaftssteuer und der Gewerbesteuer. Zur Stärkung von Vereinen und ehrenamtlicher Arbeit haben wir die steuerfreie Übungsleiterpauschale von jährlich 2.400 auf 3.000 Euro erhöht, bei der Ehrenamtspauschale können künftig 840 statt bisher 720 Euro gezahlt werden, die Umsatzgrenze für gemeinnützige Vereine wurde um 10.000 Euro auf 45.000 Euro angehoben. Dabei können wir uns durchaus noch weitere Steuerentlastungen für Ehrenamtliche vorstellen.
Klar ist aber auch: die Folgen der Hochwasser- und Flutkatastrophe in Deutschland können nicht allein durch selbstloses Ehrenamt bewältigt werden. Feuerwehren müssen so ausgestattet sein, dass sie auf Schadensereignisse stets angemessen reagieren können. Wir unterstützen daher mit der ergänzenden Ausstattung des Bundes für den Zivilschutz den Katastrophenschutz der Länder. Gemäß dem Ausstattungskonzept wollen wir als CDU/CSU die Beschaffung und Bereitstellung der insgesamt knapp 5 500 Einsatzfahrzeuge des Bundes in allen Bereichen fortführen (Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahren (CBRN -Schutz), Sanitätswesen, Brandschutz und Betreuung). Auch die Bundeswehr gilt es entsprechend auszustatten, indem wir die Verteidigungsausgaben auf mindestens zwei Prozent der Wirtschaftskraft bis 2024 erhöhen. Ohne die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr wäre vielerorts die Hochwasser-Katastrophe nicht zu bewältigen gewesen. Die Bundeswehr hatte Personal, Technik und Fahrzeuge, die wir in Katastrophengebieten dringend benötigten. Ein Beispiel dafür war z.B. der Brückenlegepanzer "Biber”, mit dessen temporären Brücken Geländeeinschnitte, Gewässer und Schluchten bis 20 Meter Breite überwunden werden – z.B. bei der Hochwasser-Amtshilfe im Ahrtal.
Wir sollten rechtliche Schlussfolgerungen ziehen, etwa in dem wir Baugebiete dem Hochwasser-Risiko besser anpassen oder indem wir Flussauen als Überschwemmungsraum ausbauen anstatt Flüsse unnatürlich begradigen zu wollen. Hierzu bedarf es einer Einbeziehung von Wissenschaftlern und Experten im Rahmen von Anhörungen des Deutschen Bundestages, damit am Ende gründlich durchdachte Gesetze entstehen können. Die Errichtung mobiler Unterkünfte für betroffene Bürgerinnen und Bürger sowie mobiler Infrastrukturvorhaben (z. B. Rathaus, Schule, Kindertagesstätte) in betroffenen Gemeinden wird bereits erleichtert, sobald unser Gesetz zum Aufbaufonds in Kraft tritt.
Heute, am 7. September 2021 werden wir den 30-Milliarden-Aufbaufonds für die vom Juli-Hochwasser betroffenen Gebiete abschließend beraten und beschließen. Das Geld wird geschädigten Privathaushalten, Unternehmen und anderen Einrichtungen zu Gute kommen, sowie zur Wiederherstellung der Infrastruktur eingesetzt werden. Der entsprechende Gesetzentwurf wird ein Sondervermögen ‚Aufbauhilfe 2021' errichten und beinhaltet eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021. Außerdem werden wir Regelungen für eine bessere Warnung der Bevölkerung bei künftigen ähnlichen Ereignissen beschließen. So werden Mobilfunkbetreiber zur Einrichtung eines CB-Systems verpflichtet, mit dem an alle in einer Funkzelle eingebuchten Mobiltelefone eine Mitteilung verschickt werden kann. Über den Verlauf der Sitzung und die entsprechenden Gesetzesentwürfe können Sie sich auf der Internetseite des Deutschen Bundestages umfangreich informieren. Den derzeitigen Gesetzesentwurf, der einen Aufbaufonds errichtet, finden Sie hier: https://dserver.bundestag.de/btd/19/320/1932039.pdf
Das Thema Katastrophen- und Bevölkerungsschutz hat auch eine außenpolitische Dimension. In der Europäischen Union können wir uns auf unsere Partner verlassen. Kürzlich war Jakob Wawrzyniak, der polnische Generalkonsul für Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, bei mir zu Gast. Herr Wawrzyniak berichtete, dass es ihm eine Ehre war, an der Umsetzung des Angebots von Premierminister Morawiecki an die Bundeskanzlerin Angela Merkel, jegliche Unterstützung zur Bewältigung der Flutkatastrophe den Opfern zukommen zu lassen, mitzuwirken. Es konnten dadurch 5 Fahrzeuge mit 164 Bautrocknungsgeräten aus Polen im Kreis Düren ankommen. Unsere polnischen Nachbarn haben hier Solidarität und Hilfsbereitschaft in Krisenzeiten gezeigt. Dafür bin ich sehr dankbar und froh, dass wir in einem friedlichen Europa leben, wo sich Länder gegenseitig helfen und unterstützten. Auch im Bereich des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes ist der Austausch unter Partnern in Europa sehr wichtig und wird in Zukunft noch wichtiger sein, um auf verschiedene Extremwetterereignisse noch besser zu reagieren.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Pantel