Frage an Sylvia Pantel von Thomas H. bezüglich Lobbyismus & Transparenz
Sehr geehrte Frau Pantel, welche Meinung vertreten Sie beim Thema Lobbyismus und Nebeneinkünfte von Abgeordneten? Sollen sämtliche Einkünfte eines Abgeordneten auf den Euro genau veröffentlicht werden?
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 22. März 2021 zum Thema Nebeneinkünfte von Abgeordneten über das Portal Abgeordnetenwatch. Dazu nehme ich gerne Stellung.
Zunächst einige Fakten: Anders als in der Öffentlichkeit oft suggeriert, bezieht ein überwiegender Teil der Abgeordneten überhaupt keine veröffentlichungspflichtigen Nebeneinkünfte, denn lediglich ein Viertel der Abgeordneten verfügt über solche Nebeneinkünfte.
Betrachtet man die Berufsstruktur des Bundestages, so ist festzustellen, dass rund 30 Prozent Selbständige aus den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handwerk und Landwirtschaft stammen sowie freiberuflich tätig sind. Es handelt sich also um Abgeordnete, die vor ihrer Wahl in den Bundestag selbständig tätig waren. Viele dieser Kolleginnen und Kollegen können sich für die Dauer ihrer Parlamentszugehörigkeit nicht völlig aus ihrem Unternehmen, ihrem Betrieb oder ihrer Kanzlei bzw. Praxis zurückziehen, weil sie ansonsten ihre berufliche Existenz aufs Spiel setzen würden. Die Wahl in den Bundestag erfolgt jedoch immer nur auf Zeit, im Regelfall bleiben Abgeordnete zwei bis drei Wahlperioden im Bundestag. Eine laufende selbständige Existenz für diesen Zeitraum aufzugeben, wäre für Abgeordnete mit Blick auf ihre Zukunft mit erheblichen Einbußen verbunden. Eine sichere alternative berufliche Existenz stärkt zudem die Unabhängigkeit, auch gegenüber der eigenen Fraktion und Partei.
Übrigens sorgen die aktuellen Regeln auch immer wieder für medial angeprangerte Ausreißer. Dann werden beispielsweise Landwirte wegen „hoher Nebenverdienste“ an den Zeitungspranger gestellt, nur weil sie pflichtgemäß die Bruttoeinnahmen des landwirtschaftlichen Betriebes anzeigen mussten, der sich schon seit Generationen im Familienbesitz befindet. Anzugeben sind bei den Nebeneinkünften von Selbständigen nämlich die Bruttoeinnahmen und nicht der Gewinn.
Klar ist aber auch: Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse an der Offenlegung von Einkünften der Abgeordneten. Es muss für jeden deutlich sein, ob ein Abgeordneter in seiner Mandatsausübung auch wirtschaftlich frei ist. Dies darf jedoch nicht unter Aufgabe seiner Bürgerrechte geschehen. Das geltende Stufenmodell wurde gerade deshalb gewählt, weil zwischen den Grundrechten der Abgeordneten und dem berechtigten öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung von Nebeneinkünften der Abgeordneten abzuwägen war.
Auch Bundesverfassungsrichter haben im Urteil des BVerfG vom 04. Juli 2007 gerade nicht den „gläsernen“ Abgeordneten gefordert. Vielmehr kamen sie zu dem Ergebnis, dass in Stufen pauschalierte Aussagen über die Höhe der Einkünfte und die Art der Tätigkeit ein taugliches Mittel sind, auf mögliche Interessenverknüpfungen und ihren Umfang hinzuweisen.
Durch diese Offenlegung werden beispielsweise auch mögliche Interessenkollisionen in den Ausschussberatungen sichtbar. Und sollte dies in einem konkreten Fall einmal nicht offensichtlich sein, sind alle Abgeordneten gemäß §6 der Verhaltensregeln zu weiteren Offenlegungen verpflichtet: Ein Mitglied des Bundestages, das entgeltlich mit einem Gegenstand beschäftigt ist, der in einem Ausschuss des Bundestages zur Beratung ansteht, hat als Mitglied dieses Ausschusses vor der Beratung eine Interessenverknüpfung offenzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Pantel, MdB