Frage an Sylvia Pantel von Harald im S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Pantel,
am 01.10. 2015 wird im Bundestag über die Abschaffung aller Sanktionen und Leistungseinschränkungen im Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) und über eine sanktionsfreie Mindestsicherung für alle in Deutschland Lebenden bedürftigen Menschen diskutiert und abgestimmt.
Beide Gesetzesbücher sollen die Gewährleistung eines Existenzminimums sichern. Es umfasst den unbedingt notwendigen Bedarf eines Menschen zum physischen Überleben sowie zur Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben.
Das Grundrecht auf das Existenzminimums ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden (Urteil vom 09.02. 2010, 1 BvL 1/09, Randnummer 133). Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (Randnummer 137). Grundrechteträger ist der einzelne Mensch.
Durch die Möglichkeit der Sanktionen kann den Menschen derzeit ihr Existenzminimum bis auf null gekürzt werden. Diesen Menschen bleiben nur die Möglichkeiten der Verschuldung, des Hungerns oder andere Wege, um ihr Überleben zu sichern. Aktuell demonstriert der Berliner Aktivist Ralph Boes mit seinem „Sanktionshungern“ stellvertretend für tausende Betroffene die Situation, wenn den Menschen das komplette Existenzminimum entzogen wird.
Vor der Debatte und Abstimmung am 1.10.2015 wurden alle Abgeordneten im Deutschen Bundestag angeschrieben und gebeten, für die Abschaffung aller Sanktionen und Leistungseinschränkungen im Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie für die Einbeziehung aller bedürftigen Menschen, die in Deutschland leben, in die Grundsicherung zu stimmen, und somit die Verwirklichung des Grundrechts zu befördern - was Sie ablehnen!
Ist es mit der Würde des Menschen, dem Grundgesetz und den Menschenrechten vereinbar, MIT staatlicher Hilfe nur bei Wohlgefallen existieren zu dürfen?
Sehr geehrter Harald im Spring!
Herzlichen Dank für Ihre Frage. Ich bin überzeugt davon, dass wir alle als Solidargemeinschaft denjenigen Menschen helfen müssen, die in Not geraten sind und eine helfende Hand benötigen, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Diese Solidarität ist das Fundament unseres Sozialstaates. Dafür gibt es das Arbeitslosengeld II.
Wenn jedoch Menschen in einer solchen Lage sich nicht ausreichend bemühen, durch eigene Arbeit ihr Leben zu finanzieren, dann müssen wir als Gesellschaft ebenfalls einschreiten und verhindern, dass die falschen Anreize gesetzt werden. Solidarität funktioniert nur, wenn alle Menschen in unserem Land davon ausgehen können, dass diejenigen, die ALG II beziehen, sich auch bemühen, wieder in Lohn und Brot zu stehen. Ich stehe dafür, dass der Starke dem Schwachen hilft. Aber wir müssen gemeinsam den Missbrauch und das Ausnutzen dieser Hilfe verhindern.
Für mich sind die klug gesteuerte Sanktionen der richtige Weg, um nötigenfalls klar zu zeigen, dass die Solidargemeinschaft von jedem einzelnen Leistungsempfänger Engagement verlangt. Es kann dabei durchaus vorkommen, dass in Einzelfällen Fehlentscheidungen getroffen wurden und Arbeitssuchende fälschlich mit Sanktionen belegt wurden. Diese Fälle müssen korrigiert und verhindert werden. Von Fehlentscheidungen einzelner will ich aber nicht auf die Fehlerhaftigkeit des Gesamtsystems schließen.
Es geht bei den Sanktionen, anders als Sie schreiben, nicht um "Wohlgefallen" sondern darum, dass unser Staat nur funktionieren kann, wenn jeder nach seinen Möglichkeiten zu unserem Sozialsystem beiträgt. Das heißt wie bereits erwähnt aber eben auch, dass wir als Solidargemeinschaft erwarten können, dass diejenigen die unsere Unterstützung in Anspruch nehmen, das nur so lange tun, bis sie wieder selbst für sich sorgen können.
Den Hungerstreik von Herrn Boes kann ich selbstverständlich nicht unterstützen. Die Demokratie darf nicht durch solche Aktionen Einzelner erpressbar werden. Wenn eine Mehrheit der Bevölkerung ein anderes Sozialsystem wünschen würde, könnte diese Mehrheit diesen Willen bei ordentlichen Wahlen zum Ausdruck bringen. Die Menschen in Deutschland wissen aber, dass unser Sozialstaat und unsere Soziale Marktwirtschaft der Grund für unser gutes Leben sind.
Mit freundlichen Grüßen,
Sylvia Pantel